Ein wirklich spannendes Wochenende liegt hinter mir! Ich hatte zum ersten Mal die Gelegenheit, in die interessante Arbeitswelt der Paläontologie an der Seite von Elasmosaurier-Experte Sven Sachs hineinzuschnuppern, und zusammen sind wir in der Kieler Sammlung einem mehr als hundert Jahre altem Rätsel auf die Spur gekommen!
Der verschollene Elasmosaurier von der Moltke-Expedition
Alles begann damit, dass Sven Sachs von einem befreundeten Kollegen aus Chile den Hinweis bekam, dass in Kiel – also meiner Heimatstadt – wohl noch die Überreste eines Plesiosauriers lagern müssten, den ein deutscher Wissenschaftler namens Wilhelm Deecke im Jahre 1896 beschrieben hatte. Mit dieser spärlichen Information machten Sven und ich uns auf die Suche und trafen uns am Freitag im Museum für Geologie in Kiel.

Inzwischen hatte der zuständige Leiter des Geologischen Instituts, Eckart Bedbur, den Sven bereits am Donnerstag deswegen kontaktiert hatte, seine Fühler ausgestreckt und bereits ein Paddel des Plesiosauriers wiedergefunden. Doch wo konnte der Rest der Fossilien sein? Das Institut für Geologie unterlag in den letzten Jahrzehnten natürlich einigen Veränderungen. Mehrere Umzüge, Umbauten und natürlich auch die beiden Weltkriege lagen ja zwischen der letzten wissenschaftlichen Beschreibung des Fossils, und es war gar nicht mal so sicher, dass es überhaupt noch existierte. Nach so langer Zeit hätte es ja längst zerstört oder auch durch unachtsame Hände sogar entsorgt werden können.
Suche in der Kieler Sammlung
Sven und ich durchsuchten also alle Lagerschränke in der Geologie akribisch. In denen kamen allerdings zunächst nur Ammoniten und Mikrofossilien zum Vorschein, aber kein Plesiosaurier. Währenddessen kontaktierte Eckart den Hausmeister. Einige der älteren Lagerschränke befinden sich heute in Räumen, in denen inzwischen die EDV-Büros untergebracht sind. Und zu denen haben die Geologen gar keinen Schlüssel mehr. In einem dieser Räume wurden wir aber schließlich fündig. Fünf Kisten mit Fossilien, auf denen bereits der Staub von Jahrzehnten lag. Der verschollene Plesiosaurier war wieder da!

Untersuchung der spektakulären Fossilien
Wie ein Detektiv an einem Tatort dokumentierte Sven den alten Fund nun ganz genau. Er nahm viele Fotos aus verschiedenen Winkeln auf und vermaß die Wirbel, Rippen und Phalangen (Finger- und Zehenknochen; also die Flossen) des Plesiosauriers ganz genau. Das Fossil soll nun in einer wissenschaftlichen Arbeit noch einmal neu beschrieben und bewertet werden. In dieser Arbeit werde auch ich einen kleinen Teil beitragen. Als Historiker beschäftige ich mich mit der Fundgeschichte und der Moltke-Expedition.
Das wird aber sicher keine leichte Aufgabe werden. Alles was wir bisher wissen: Die Fossilien wurden irgendwann vor dem Jahr 1896, als Deecke sie beschrieb, von einem deutschen Schiffsarzt der Corvette Moltke namens Dr. Gärtner auf der chilenischen Insel Quiriquina gefunden. Gärtner schenkte seine Entdeckung später der Sammlung von Kiel, doch dann verliert sich seine Spur. Ich möchte nun versuchen herauszufinden, wer dieser Dr. Gärtner war, und was die Moltke in Chile überhaupt zu suchen hatte, von Fossilien einmal abgesehen. Das wird also noch einmal eine Menge Detektivarbeit erfordern. Mal sehen, was sich da herausfinden lässt.

Der Kieler Cimoliasaurus
Das Fossil wurde einst von Deecke der Gattung Cimoliasaurus zugeschrieben. Sven vermutet allerdings nach erster Inaugenscheinnahme, dass es sich eher um einen Aristonectes handeln dürfte. In jedem Fall gehörte das Tier zu einer sehr interessanten Gruppe der Elasmosaurier. Die Aristonectiden waren nicht wie ihre Verwandten geschickte Fischjäger. Sie streiften als behäbige und oft riesige Filtrierer wie die heutigen Bartenwale durch die Meere der späten Kreidezeit. Der Kieler Cimoliasaurus (oder Aristonectes) lebte also zufälligerweise genau in der Zeit, in der meine Geschichte „Die Weißen Steine“ spielt, und ich überlege nun natürlich, dieses Tier dort einmal auftauchen zu lassen!

Lesung im Tor zur Urzeit
„Die weißen Steine“ kamen allerdings schon einen Tag später mit Elasmosauriern in Berührung: Im kleinen Museum Tor zur Urzeit, unweit von Kiel in Brügge bei Bordesholm, wurde ein neues Exponat enthüllt: Der 13m lange Nachbau eines Elasmosaurier-Skeletts wird dort in Zukunft die Besucher begeistern. Denn auch wenn die bekanntesten Fossilien dieses Meerestiers vor allem aus dem mittleren Westen Nordamerikas bekannt sind, lebten sie auch bei uns in Norddeutschland. In Lägerdorf in der Nähe von Itzehoe hat Fossiliensammler Joachim Ladwig die Überreste eines solchen Meeresriesen gefunden.
Als Experte für Meeresreptilien hielt zuerst Sven Sachs einen Vortrag über diese interessanten Tiere. Er ging dabei natürlich auch auf unsere Entdeckung in Kiel ein.
Danach war ich mit meiner Lesung an der Reihe. Mit einer Geschichte über John und seinen kleinen Dakotaraptor „Razor“ begeisterte ich die Zuhörer und gab im Anschluss noch eine Signierstunde. Das hochinteressante Wochenende werde ich so schnell nicht vergessen.