Heute ist das Silur die dritte Periode des Paläozoikums – das war allerdings nicht immer so! Wie in der letzten Episode bereits zu lesen war, gab es in der Vergangenheit ein langes „Tauziehen“ zwischen den Anhängern von Adam Sedgwick und von Roderick Murchison um die Definition dieses Erdzeitalters. Viele populärwissenschaftliche Bücher, aber auch Schulbücher und sogar einige Fachbücher ließen noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auf das Kambrium direkt das Silur folgen, und nicht das Ordovizium, dass gemäß der offiziellen Definition der International Union of Geological Sciences (IUGS) heute dazwischen liegt.
Geschichte, Definition und Namensgebung

Murchison und Sedgwick waren zwei miteinander befreundete Geologen und eifrige Fossiliensammler, die bereits in den 1830ger Jahren in den walisischen Ablagerungsschichten arbeiteten. Sedgwick hatte die untersten dieser Schichten nach dem lateinischen Namen von Wales (Cambria) „Kambrium“ getauft, und weil Murchison diese Idee gefiel, benannte er „seine“ Fundstellen, die stratigrafisch über denen von Sedgwick lagen, nach dem antiken Volksstamm, der zur Zeit der Römer dort siedelte: Die Silurer, die für ihre Unbeugsamkeit gegenüber den römischen Besatzern berüchtigt waren. Gemeinsam verfassten Murchison und Sedgwick auch ein Buch über die Sedimentation und die Fossilien von Wales, das 1835 erschien.
Der Streit ums Silur

Allerdings wurden die beiden Freunde sich nicht einig darüber, wo das Kambrium aufhören und das Silur beginnen sollte. Und das führte allmählich zum Zerwürfnis zwischen den beiden Forschern. Sedgwick entdeckte zwischen 1842 und 1843, dass das Silur durch eine Diskordanz in einen oberen und unteren Teil getrennt wurde. Den unteren Teil schlug er nun seinem Kambrium zu, was Murchison nicht hinnehmen wollte. Mehr als zehn Jahre später eskalierte der Streit, als Murchison in seinem Buch Siluria seinem Kollegen Sedgwick vorwarf, in seinen Arbeiten das Kambrium niemals hinreichend beschrieben hätte, und wollte ihm deshalb „sein“ Zeitalter sogar ganz wegnehmen.
Alles, auch die ältesten Schichten des Kambriums, sollten nun Silur sein. Noch im 20. Jahrhundert gab es so manche Schriften, die das Paläozoikum direkt mit dem Silur anfangen ließen!
Zu Sedgwicks großem Ärger stellten sich auch noch alle kartierenden Geologen des Londoner Geological Surveys auf Murchisons Seite. Nachdem Sedgwick sich noch zu wehren versuchte und Murchison in seinem großen Buch A synopsis of the classification of the British Palaeozoic rocks scharf angriff, ging dieser letzte Schuss nach hinten los. Die Geological Society distanzierte sich nun gänzlich von Sedgwick und gab die Empfehlung an alle Fachkollegen heraus, jedweden Vorschlag Sedgwicks zur Benennung geologischer Einheiten zu ignorieren. Der gedemütigte Sedgwick blieb mit Murchison zwar weiterhin in Kontakt, aus ihrem Briefverkehr ist das angespannte Verhältnis zwischen beiden jedoch deutlich herauszulesen.
Lange Zeit keine eindeutige Definition
Ihren Streit führten andere Geologen noch lange Zeit weiter. 1879, als sowohl Sedgwick als auch Murchison bereits verstorben waren, versuchte deshalb Charles Lapworth zu schlichten. Auch ihm gefiel die Idee mit einem Volksstamm, weshalb er die umstrittenen Ablagerungsschichten zwischen Kambrium und Silur als „Ordovizium“ benannte. Die Ordovicer siedelten in der Antike nördlich von den Silurern. Lapworth Vorschlag wurde aber lange Zeit ignoriert. Aus diesem Grund findet man für das Silur viele verschiedene Zahlenangaben, wann es denn nun eigentlich beginnen soll. Und sehr oft werden auch geologische Ereignisse mal ins Silur, mal ins Ordovizium datiert. Je nach Quelle kann das anders sein – noch heute.
Und es wird sogar noch komplizierter! Da auch auf der schwedischen Insel Gotland viele Gesteinsschichten aus dieser Zeit aufgeschlossen sind, haben manche Geologen das Erdzeitalter nach dem Kambrium Gotlandium genannt. Später wurde so nur die oberste Epoche, das Obersilur bezeichnet. Heute ist der Begriff Gotlandium allerdings nicht mehr offiziell.
Heutige Definition
Erst 1960 mit der offiziellen Anerkennung des Ordoviziums durch den Geologischen Kongress und seine Bestätigung durch die ein Jahr später gegründete IUGS beruhigte sich der Streit um die ersten paläozoischen Erdzeitalter. Heute gilt das Erstauftreten der Graptolithen-Arten Parakidograptus acuminatus und Akidograptus ascensus als Beginn des Silurs, das demnach vor 443,4 Millionen Jahren beginnt. Die Obergrenze ist heute ebenfalls mit dem Erstauftreten eines Graptolithen definiert, durch Monograptus uniformis und liegt bei 419,2 Millionen Jahren. Mit „nur“ 24,2 Millionen Jahren ist das Silur damit die kürzeste Periode des Paläozoikums und auch die drittkürzeste des ganzen Phanerozoikums.
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Gliederung des Silurs
Das Silur wird trotz seiner kurzen Dauer in vier stratigraphische Einheiten gegliedert. Seine vier Epochen heißen Llandovery (443,4 bis 433,4 Ma), Wenlock (433,4 bis 427,4 Ma), Ludlow (427,4 bis 423 Ma) und Pridolium (423 bis 419,2 Ma).
Llandovery
Die walisische Stadt Llandovery stand Pate für die Benennung der ersten Epoche des Silurs, deren Name von Roderick Murchison vorgeschlagen wurde. Auch seine drei untergliederten Zeitalter sind nach walisischen Ortschaften benannt, das Rhuddanium (nach Cwm Rhuddan), das Aeronium (nach der Cwm-coed-Aeron-Farm) und auch das Telychium (nach Pen-Lan-Telych).
Die veränderte Welt im frühen Silur
Im frühen Silur änderte sich die für Kambrium und Ordovizium noch relativ einheitliche Anordnung der Kontinente nun grundlegend. Der Iapetus-Ozean schloss sich nun vollständig, als sich die Ur-Kontinente Laurentia und Baltica aufeinander zu bewegten. Die Erde erholte sich zu dieser Zeit noch von ihrem schwersten bisherigen Massenaussterben. Eiszeiten, Vulkanausbrüche, ein schwankende Meeresspiegel und die Abnahme des ozeanischen Sauerstoffs hatten vielen Tiergruppen den Garaus bereitet. Als die Hirnantische Eiszeit schließlich ihr Ende fand, stiegen die globalen Durchschnittstemperaturen wieder auf etwa 17°C und lagen damit etwas höher als heute. Sie sollten im ganzen Silur einigermaßen stabil bleiben.
Das milde Klima schuf ideale Lebensbedingungen für Tiere, Pilze und Pflanzen. Der Meeresspiegel stieg wieder und blieb im ganzen Silur ausgesprochen hoch, da es nur noch kaum (oder sogar gar keine!) Vergletscherungen gab. Die Kontinentalränder wurden überflutet. So entstanden zahlreiche Flachmeere, in denen bald von Korallen, Graptolithen und anderen sessilen Meerestieren riesige Riffgebiete aufgebaut wurden. Bereits im Llandovery schwammen in den Meeren viele kiefertragende Fische, die sich ihren Lebensraum mit Eurypteriden (Seeskorpionen) und den riesigen Endoceranten teilten. Im frühen Silur trat auch die Gruppe der Placodermi erstmalig in Erscheinung: die Panzerfische.

Wenlock
Auch das Wenlock ist wieder ein Namensvorschlag von Roderick Murchison. Er benannte es 1833 nach Wenlock Edge, einem geologischen Aufschluss in Mittelengland. Seine beiden Zeitalter Sheinwoodium und Homerium wurden allerdings erst 1975 benannt, nach den Orten Sheinwood und Homer, die ebenfalls in England liegen.
In den lichtdurchfluteten Flachmeeren des Wenlock trieb das pflanzliche Plankton durch seine Fotosynthese den Sauerstoffwert in die Höhe. Er stieg nun erstmals auf Werte um 14 Prozent an. Eine solche Sauerstoffsättigung hätte ein Mensch bereits ohne großartige Kopfschmerzen zu kriegen atmen können. Die im Ordovizium ausgesprochen hohe Kohlenstoffdioxid-Konzentration sank dagegen immer weiter ab. Mit etwa 4.000 ppm lag sie dennoch fast um ein zehnfaches höher als heute.
Die Skorpione erreichten im Silur eine beträchtliche Vielfalt. Während einige pelagisch (schwimmend) lebten und kleinere Meeresbewohner jagten, entwickelten andere eine benthische (am Grund lebende) Überlebensstrategie. Unter den Meeresskorpionen gab es sogar wahre Giganten: einige wie z.B. Pterygotus lebten benthisch, andere wie Acutiramus pelagisch. Beide wurden größer als ein Mensch.

Artensterben im Silur
im Wenlock kam es jedoch zu einer Katastrophe: die Großkontinente Laurentia und Baltica, das bereits zuvor Avalonia absorbiert hatte, stießen zu Beginn des Sheinwoodiums zusammen. Dadurch verschwanden viele marine Lebensräume. Auch das Klima änderte sich vielerorts von marin zu kontinental. Der kaledonische Faltengürtel, der Ursprung der Gebirgslandschaften in Schottland, Norwegen, der Appalachen und auch Neufundlands, bildete sich infolge dieses gewaltigen Zusammenstoßes. Gebirgsbildung und sich verändernde Meeresströmungen, aber auch intensiver Vulkanismus störten die Riffbewohner empfindlich. Vor allem die Conodonten und Graptolithen waren davon betroffen. Die meisten ihrer Arten (bei den Graptolithen waren es sogar 95%!) starben zu dieser Zeit aus. Man nennt diese Aussterbewelle auch das Ireviken-Event (428 Ma), nach einer Gegend auf Gotland, in der das Artensterben besonders gut dokumentiert ist.
Ludlow
Auch das Ludlow verdankt seinen Namen wieder Roderick Murchison. Es trägt seinen Namen nach einem Ort in Shropshire, England, in dessen Nähe Gesteine dieses Alters aufgeschlossen sind. Ursprünglich hatte das Ludlow den hierarchischen Rang eines Alters, bevor es 1989 zum Rang einer Epoche erhoben wurde. Seine beiden Alter heißen seither Gorstium (nach einem Bauernhaus namens Gorsty an der Straße von Ludlow nach Wigmore) und Ludfordium (nach dem Ludford-Park und der Ludford Bridge in Ludlow).
Neue Kontinente und weiteres Artensterben
Aus der Kollision von Baltica und Laurentia entstand ein neuer Großkontinent, den man jetzt Laurussia nennt. Er driftete nun immer weiter nordwärts, wodurch sich der Rheische Ozean zwischen ihm und Gondwana im Süden immer weiter vergrößerte. Im Ludlow erreichte er seine maximale Ausdehnung. Am Nordrand Gondwanas brach eine Landmasse ab, die von den Geologen als Hun-Superterran bezeichnet wird. Ob es sich dabei aber um einen eigenen Klein-Kontinent handelt, oder vielmehr um mehrere Gruppen kontinentaler Krustenblöcke, ist derzeit umstritten. Zwischen den Landmassen begann sich nun die Paläo-Tethys zu öffnen: ein erstes Mittel-Meer, das tatsächlich die „Urgroßmutter“ unseres heutigen Mittelmeeres war.

Während des Ludlow kam es zu zwei weiteren Aussterbeereignissen. Beim Mulde-Events (424 Ma) im frühen Gorstium sank der Meeresspiegel kurzzeitig rapide ab, was viele Riffe in den Flachmeeren zerstörte. Die Klassen Eocrinoidea und Paracrinoidea starben hierbei aus. Später, im Pridolium, wiederholte sich das noch einmal.
Pridolium
Das Pridolium ist die letzte Epoche des Silurs und ist nicht in weitere Alter untergliedert. Es wurde 1948 durch Ferdinand Prantl und Alois Přibyl nach einer Flurlokalität beim Naturschutzgebiet Homolka a Přídolí im Süden von Prag benannt. In Gesteinsschichten aus dem Pridolium sind u.a. mit Guiyu oneiros die ersten fossilen Reste der Osteichthyes, der Knochenfische bekannt. Die Knospenstrahler (Blastoidea), ausgestorbene Verwandte der Seeigel und Seelilien, treten hier ebenfalls erstmalig in Erscheinung.

Beim sogenannten Lau-Event (420 Ma) wurden diesmal sogar noch mehr Riffe zerstört als in den beiden vorausgehenden Aussterbewellen. Noch vor dem sich senkenden Meeresspiegel waren es jetzt aber vor allem vulkanischen Ausgasungen, die die Ozeane vergifteten, das Klima durcheinanderbrachten und in der Folge den Kohlenstoffkreislauf empfindlich störten. Alle silurischen Massenaussterben blieben jedoch weit hinter dem großen Sterben im Ordovizium zurück.
Trotz allem haben die silurischen Aussterbewellen das Leben in seiner weiteren Entfaltung nicht ausgebremst. Aus dem Pridolium sind schießlich auch die frühesten bekannten Nachweise für tierisches Leben an Land überliefert. In der Clam Bank Formation in Neufundland wurden 2011 die Fährten eines Arthropoden (Gliederfüßer) entdeckt. Möglicherweise war es ein urtümlicher Tausendfüßer, der dort vor etwa 420 Millionen Jahren entlanglief.

Pflanzen und andere „grüne Wesen“
Besonders bemerkenswert ist das Pridolium jedoch für die nun erstmalig nachgewiesenen Landpflanzen, die mit einem Stiel nach oben wuchsen. In sumpfigen Flachwasserlandschaften gediehen jetzt die ersten sogenannten Gefäßpflanzen, wie Cooksonia in Laurussia oder auch Baragwanathia und Psilophyton in Gondwana. Auch einfache Bärlapp-Pflanzen sind im oberen Silur erstmalig nachgewiesen, und auch fossile Flechten (symbiotische Lebensformen, bestehend aus Algen und Pilzen) sind als Fossilien gut vertreten. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es alle diese Pflanzen bereits früher schon gegeben hat. Im Silur erlebten sie allerdings ihre erste größere Radiation. Aus dem Weltraum betrachtet hätte die Erde nun wahrscheinlich nicht mehr blau-braun ausgesehen. Sie wurde jetzt nach und nach immer grüner.

Eine besonders bizarre Form „pflanzlichen“ Lebens aus dem späten Silur sind die Prototaxites. Manche Forscher halten sie für besonders große Flechten, andere für übergroße Pilze – die genaue systematische Zuordnung dieser Wesen ist umstritten. Sie waren im späten Silur aber die bei weitem größten Lebewesen an Land: einige ihrer stammartigen Gebilde waren über 8m hoch!
Folgende Episoden aus der Reihe „Die Geschichte unserer Erde“ sind außerdem bereits erschienen:
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Eine Reise durch die Zeit
Der Beginn des Lebens auf unserer Erde Das Silur Der Jura Die Kreide Das Paläogen Das Neogen Das Quartär Die Welt der Zukunft |
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Hey,
erwähnenswert wäre auch, dass wir im Silur wohl die ältesten landbewohnenden Arthropoden haben (z.B. Trigonotarbiden).
Danke Pascal! Da ich mir da nicht so sicher war, und ob es nicht vielleicht schon im Ordovizium oder gar im Kambrium die ersten Krabbler gegeben hat, hab ich das zuerst mal rausgelassen. Ich habe aber mal in den Artikel mit eingebaut, dass aus dem Silur die ersten bekannten Arthropodenfährten bekannt sind.