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Die weißen Steine

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Forschungsgeschichte der K-Pg-Grenze

Posted on Oktober 17, 2022Dezember 28, 2022 by Markus Kretschmer
Lesedauer 15 Minuten

Was ist vor 66 Ma eigentlich geschehen? Was hat es mit der K-Pg-Grenze auf sich? Woher wissen die Forscher heute so genau, wie und warum so viele Arten am Ende der Kreidezeit ausgestorben sind? Wer waren eigentlich die vielen fleißigen Forscher, die eines der größten Rätsel der Wissenschaft nach und nach lösten? Und ist dieses Rätsel wirklich abschließend gelöst, oder gibt es noch viel mehr zu entdecken?

Die interessante Forschungsgeschichte zum Chicxulub-Ereignis, wie Forscher die Umstände am Ende der Kreidezeit nennen, soll in diesem Artikel beleuchtet werden. Wir beginnen dabei mit einigen interessanten, aber auch bizarren Erklärungsansätzen, die vor der allmählichen Lösung des Rätsels kursierten.

Diese Artikelreihe ist auch als Video verfügbar. Vielen Dank an Michael Kubi (Internet-Evoluzzer) für seine großartige Arbeit!


Erklärungen für das kreidezeitliche Massenaussterben

Für viele Jahrzehnte war das plötzliche Verschwinden der Dinosaurier ein großes Rätsel. Forscher aus allen möglichen Disziplinen und längst nicht nur Paläontologen faszinierte dieses Rätsel. Und sie brachte eine ganze Reihe von Erklärungen zum Ausdruck. Manche davon waren ziemlich einleuchtend, andere wiederum eher wenig plausibel. Und einige sogar richtig kurios! So machte man einerseits plötzliche Klimaveränderungen, Überspezialisierung oder auch massiven Vulkanismus für das Verschwinden der Dinos verantwortlich. Aber auch plötzliche Krankheiten und der allmähliche Aufstieg der Säugetiere wurden als Gründe angeführt. Besonders das Plündern der Nester der zum Brüten am Boden gezwungenen Dinos war eine Erklärung, die noch bis in die späten 80er Jahre hinein immer wieder zu hören war.

Skurrile Hypothesen

Daneben gab es aber auch echt abgefahrene Gedanken. Wie etwa, dass die Dinosaurier einfach vor lauter Langeweile oder auch im Drogenrausch gestorben sind, dass sie langsam in der Masse der durch sie selbst produzierten Fäkalien umgekommen seien, oder dass Aliens sie absichtlich ausgerottet haben.

Das Rätsel um das Aussterben der Dinosaurier führte zu einer Menge teils kurioser Erklärungsversuche. Doch Langeweile, Drogen, riesige Fäkalien-Mengen und Aliens haben die Dinos bestimmt nicht getötet.

Kreationismus

Natürlich haben sich auch immer mal wieder strenggläubige Kreationisten zu Worte gemeldet. Aber nur einige: manche bibelfesten Fanatiker leugnen sogar gerne, dass es Dinosaurier jemals wirklich gegeben hat. Die, die das nicht tun, begegnen einem dann aber vor allem mit Geschichten von dem Zorn Gottes, der Sintflut und Noahs Arche. Auf die durften die Dinosaurier aufgrund ihrer Größe einfach nicht mehr mit rauf. Sie starben aus, weil Gott sie bloß als Vorbereitung für seine eigentliche Krone der Schöpfung (uns Menschen!) auf die Erde brachte. Dinosaurier ebneten die Erde ein und machten sie für die „moderneren“ Lebewesen dann erst so richtig fruchtbar. Aber damit Adam und Eva (oder auch Noah und seine Nachfahren, da sind sie sich alle nicht so richtig einig) dann in Frieden und Sicherheit leben konnten, mussten sie halt weg.

Sintflut (Dan Piraro)
Auch eine mögliche Erklärung. Karikatur von Dan Piraro.

Manche Kreationisten haben auch eine ganz abgefahrene Erklärung. Vor der Sintflut seien Tiere noch ungeheuer alt geworden, so glauben sie. Schließlich ist auch die Lebenszeit von biblischen Figuren wie Adam, Methusalem oder auch Noah teils mit weit über 800 Jahren Lebenszeit in der Bibel überliefert. Noah hat die Dinos also bestimmt doch mitgenommen, zumindest für Eier zum späteren Ausbrüten sei reichlich Platz auf der Arche gewesen. Doch wenn ein Reptil – wozu die Dinosaurier ja offenbar zählten – ebenfalls so alt geworden sind wie er, und wenn sie Zeit ihres Leben immer weitergewachsen sind, sei es ja kein Wunder, dass es heute keine Riesenechsen mehr gibt. Sie sind nach der Sintflut einfach deutlich kurzlebiger gewesen und entsprechend auch nicht mehr so groß geworden. Wir kennen die Dinos von einst also heute als Leguane, Alligatoren und Zauneidechsen.


Forschungsgeschichte der Katastrophe von Chicxulub

Auch wenn viele diesen (teils sogar echt kreativen!) Schwachsinn immer noch glauben, sind wir über diese amüsanten Erklärungsansätze heute schon lange hinaus. Kaum ein erdgeschichtliches Ereignis ist inzwischen so gut verstanden wie die Katastrophe von Chicxulub. Dies ist natürlich vor allem dem großen Interesse an den Dinosauriern geschuldet, und auch der Tatsache, dass wir für dieses Ereignis tatsächlich schon viele greifbare Belege haben.


Die Impakt-Hypothese von Luis und Walter Alvarez

Schon Ende der 70er Jahre forschten der US-amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Luis Walter Alvarez zu diesem Thema und kam dem Rätsel im italienischen Umbrien auf die Spur. Zusammen mit seinem Sohn, dem Geologen Walter Alvarez, wies er in der Grenzschicht zwischen Kreidezeit und Paläogen (damals noch Tertiär genannt) eine hohe Konzentration des Isotops Iridium nach. Iridium ist ein auf der Erde nur sehr selten vorkommendes Metall. Es bildet aber einen vergleichsweise hohen Anteil an der chemischen Zusammensetzung von Kometen und Asteroiden.

Luis Walter & Walter Alvarez
Luis Walter Alvarez zusammen mit seinem Sohn Walter in der Bottaccione-Schlucht bei Gubbio in Umbrien (Italien).

Vater und Sohn Alvarez vermuteten also, dass ein gewaltiger außerirdischer Himmelskörper für das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit verantwortlich gewesen ist. Iridium lässt sich nämlich nicht nur in Umbrien, sondern auf der ganzen Welt nachweisen – in einer dünnen, feinen und pechschwarzen Linie, die die Epochen des Maastrichtiums und des anschließenden Daniums auf der ganzen Welt trennt. Ihre Theorie veröffentlichten sie 1980 in einer gemeinsamen, vielbeachteten Studie.

Die Entdeckung des Chicxulub-Kraters

Die Einschlags-Theorie wurde sowohl mit Skepsis als auch mit Begeisterung aufgenommen. Beides führte zu heftigen Diskussionen. Und Wissenschaftler auf der ganzen Welt waren eifrig bemüht, Belege für die Theorie zu finden, und natürlich den gewaltigen Krater des vermuteten Einschlags. Ein Forschungsteam um Alan R. Hildebrand von der University of Calgary (Kanada) wurde schließlich fündig. Im Jahr 1991 identifizierten sie mittels der Vermessung von magnetischen und gravitativen Anomalien an der Küste der mexikanischen Yukatan-Halbinsel entlang der kleinen Stadt Chicxulub (spricht sich ungefähr wie Tschick-Tschu-Lubb) einen eindeutigen Impakt-Krater.

Chicxulub Puerto
Das mexikanische Städtchen Chicxulub ist ein beliebtes Ziel für Touristen.

Er bildet einen fast kreisförmigen Ring von sage und schreibe 180km Durchmesser, mit einem zentralen Gebirgsring im Inneren und einem mutmaßlichen, flacheren Außenring von sogar 300km Durchmesser. (Trotz dieser ungeheuren Größe ist das natürlich viel, viel kleiner als der gesamte Golf von Mexiko, der insgesamt etwa 1.500km breit ist.) In ihrer Studie nahmen Hildebrand und sein Team direkt Bezug auf die Arbeit von Alvarez. Der Dino-Killer, oder zumindest sein Einschlagsort, schienen tatsächlich gefunden!

Chicxulub-Krater
Alan R. Hildebrand und der von ihm entdeckte Impakt-Krater von Chicxulub.

Diskussion: Meteoriteneinschlag oder Super-Vulkanismus?

Natürlich blieb diese Entdeckung nicht unumstritten. Kritiker merkten an, dass der Krater laut radiometrischer Datierung mehr als 300.000 Jahre zu alt sei, um als Verursacher der K-Pg-Grenzschicht infrage zu kommen, die man damals auf etwa 65,5 Ma datierte. Sie sahen vielmehr die jüngeren Flutbasalte des indischen Dekkan-Trapps als Beleg für ein Massenaussterben an. Nicht ein Meteorit, sondern ein gewaltiger Supervulkan habe das Ende der Dinosaurier herbeigeführt. Denn auch aus dem Erdinneren könne Iridium in die Atmosphäre gelangen und von dort aus überall auf der Welt abgelagert werden.

Dekkan-Trapp
Die Flutbasalte des Dekkan-Trapps in Indien.

Neuere radiometrische Datierungen konnten das Ende der Kreidezeit, also die K-Pg-Grenzschicht, etwas präziser datieren. Und das Geschah sogar auf ziemlich lustige, ironische Art und Weise: die Probe des Yucatán-Andesits, mit deren Hilfe  sowohl der Nachweis für einen Impakt als auch die erste Datierung des Kraters erfolgte, lag viele Jahre lang als Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch eines Geologen der Erdölgesellschaft PEMEX.  Mit 66,04 Ma (+-32.000 Jahren) entspricht dieses Alter exakt dem des Chicxulub-Kraters. Auch der Nachweis von Chrom-Isotopen in der K-Pg-Grenzschicht ist ein weiterer Beleg für einen gewaltigen Einschlag: eine derartige Chrom-Konzentration kommt nur in Meteoriten vor und kann durch eine Vulkaneruption definitiv nicht erklärt werden. Heute kann man also mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Bildung der K-Pg-Grenzschicht und die des Chicxulub-Kraters zeitlich exakt zusammenfallen – und sehr wahrscheinlich in direkter Verbindung miteinander stehen.

… oder sogar ein direkter Zusammenhang?

Möglicherweise steht der Chicxulub-Einschlag sogar in Zusammenhang mit dem Dekkan-Trapp: die Energie des Einschlags könnte einer Studie zufolge direkt 70% der Energie dieses gewaltigen Vulkans auf einen Schlag freigesetzt haben. Und das ist auch logisch: Indien befand sich zum damaligen Zeitraum wohl in gerader Linie zum Einschlagswinkel des Impaktors. Die Energie des Einschlags könnte durch den ganzen Planeten geleitet und auf der anderen Seite wieder ausgetreten sein. Und das führte dort dann zu massiven Vulkanausbrüchen.

Supervulkan
Die gewaltige Energie des Meteoriteneinschlags könnte den Supervulkanausbruch in Indien mitverursacht haben.

Der Dekkan-Trapp blieb daraufhin wohl für viele Jahrzehntausende aktiv. Diese hohe vulkanische Belastung könnte dann aber selbst auch wieder für massive Umwelt- und Klimaveränderungen während des Paläogens verantwortlich gewesen sein. Noch immer ist die Diskussion also nicht abgeschlossen, welche Rolle der Dekkan-Vulkan für das Massenaussterben gespielt hat. Es erscheinen jedes Jahr neue Studien, die beide Szenarien aber durchaus zusammenführbar machen.

… und gab es möglicherweise mehr als nur einen Impaktor?

Vor der Küste des westafrikanischen Nadirs ist neuen Erkenntnissen zufolge ebenfalls ein großer Asteroid eingeschlagen, und wie es den Anschein hat etwa zeitgleich mit dem Chicxulub-Impaktor. Dafür spricht ein knapp zehn Kilometer großer Krater, so wie in Mexiko auch mit Zentralberg und erhöhtem Kraterrand. So einen hat ein Geologenteam um Usidean Nicholson von der Heriot-Watt University in Edinburgh (Schottland) entdeckt. Gestörte Schichten und Trümmer im Meeressediment deuten darauf hin, dass der Einschlag eines etwa 400m großen Himmelskörpers mehrere starke Tsunamis auslöste. Dies könnte die verheerende Kettenreaktion verstärkt haben, die der noch viel größere Einschlag im Golf von Mexiko in Gang gesetzt hatte.

Andererseits wird unser Planet sehr häufig von Meteoriten getroffen. Auch nahezu gleich alte Einschläge müssen deshalb nicht unbedingt miteinander zu tun haben. Dies wurde kürzlich auch für die Krater des Steinheimer Beckens und des Nördlinger Ries festgestellt. Beide galten lange Zeit als Überreste eines gleichzeitigen Ereignisses vor etwa 15 Ma. Tatsächlich ist das Nördlinger Ries aber etwa 500.000 Jahre älter und folglich unabhängig vom Steinheimer Becken entstanden. Chicxulub und Nadir könnten folglich auch beide im Anstand von geologisch kurzen, aber dennoch jahrtausendelangen Zeiträumen getroffen worden sein.

Das Nördlinger Ries – ein Impaktkrater in Deutschland.

Asteroid oder Komet?

Genauso heftig wie die Diskussion um Vulkane und Meteoriteneinschläge wird die Debatte geführt, was denn zum Himmel nochmal in der Nähe von Chicxulub eigentlich eingeschlagen ist. War es ein Asteroid? Oder doch ein Komet? Zuerst einmal eine kurze Definition der Begriffe:

Asteroiden:

Ein Asteroid ist ein astronomischer Körper von geringer Größe, der sich in einer keplerschen Bahn um die Sonne bewegt. Meist tut er das zusammen mit vielen anderen seiner Art und bildet mit ihnen einen Gürtel, wie z.B. den zwischen Mars und Jupiter. Die meisten Asteroiden unseres Sonnensystems sind nicht größer als ein Auto. Manche sind aber gewaltig groß, wie z.B. Ceres, der einen Durchmesser von 964km aufweist und von Astronomen sogar als Kleinplanet klassifiziert wird. Asteroiden bestehen zumeist aus metallischen Verbindungen und Erzen.

Der Asteroid (243) Ida mit seinem Mond „Dactyl“.

Kometen:

Ein Komet hingegen bildet sich in den äußeren, kalten Bereichen des Sonnensystems. Er enthält vor allem Kohlenstoff-Staub und Wasserstoff und besteht demnach gewissermaßen aus Eis. Manche Kometen befinden sich auf einer festen, meist elliptischen Bahn um die Sonne herum. Sie kehren also in regelmäßigen Abständen wieder, wenn ihre Bahn die der Erde kreuzt. Solche periodischen Kometen stammen meist aus dem Kupier-Gürtel (Umlaufzeiten von weniger als 200 Jahren) oder aus der Oortschen Wolke (längere Umlaufzeiten). Andere Kometen haben dagegen überhaupt keine nachweisbare Bahn um unsere Sonne und werden deshalb auch sehr wahrscheinlich niemals wiederkehren. In Nähe der Sonne bildet ein Komet außerdem aufgrund der Ausgasung des Wasserstoffs den für ihn typischen Schweif. Asteroiden haben dagegen keinen Schweif und sind deshalb auch deutlich schwieriger auszumachen.

Der Komet Leonhard C/2021 mit einem typischen Kometenschweif.

Meteoriten:

Ein Meteorit ist nun einfach nur ein außerirdisches Projekt, welches auf der Erde einschlägt. Die Leuchtspur eines in die Atmosphäre eintretenden Himmelskörpers nennt man Meteor – wie z.B. eine Sternschnuppe. Der Satz „Ein Meteor ist auf der Erde eingeschlagen“ ergibt also überhaupt keinen Sinn. Meteore schlagen nirgends ein. Sie verglühen in der Atmosphäre.

Ein Meteor – oder auch Sternschnuppe genannt.

Asteroiden und Kometen können also beide zu einem Meteoriten werden, wenn sie die Erde treffen. Und somit kommen beide auch als Verursacher für das kreidezeitliche Massenaussterben in Betracht. Beide hätten tatsächlich die gleichen schweren Verheerungen auf der Erde anrichten können, da hätte es keinen Unterschied gegeben. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung spricht die chemische Signatur in der K-Pg-Grenzschicht aber eher für einen sogenannten kohligen Chondriten, also einen Asteroiden aus dem Gürtel zwischen Mars und Jupiter. Vermutlich wurde dieser bei einer Kollision mit einem anderen Asteroiden, möglicherweise aber auch mit einem Kometen aus seiner Umlaufbahn geworfen. Wie nach einem Stoß beim Billard flog dieser Asteroid nun immer weiter, direkt auf die Erde zu. Andere Studien beharren jedoch weiterhin auf einen Kometen als Verursacher. Die Diskussion läuft also noch.

Der 30kg schwere Blaubeuren-Meteorit.

Bohrprojekte

Forscher kommen dem Hergangs des Einschlags in Mexiko und seiner möglichen globalen Folgen allmählich auf die Spur. Dazu haben sie seit der Entdeckung des Chicxulub-Kraters technisch aufwändige und kostenintensive Bohrungen durchgeführt. Schon lange vorher, in den 1950er- und 1960er-Jahre, reichten einige Bohrprojekte vor der Küste Yukatans schon bis in 3500 Meter Tiefe. Die Forscher waren damals aber auf der Suche nach Öl und nicht nach Belegen für einen Impakt. Der stand damals ja noch gar nicht im Raum! Erst 1996 initiierte die Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) ein Flachbohrprogramm im Krater. Dort wurden aber aufgrund der geringen Bohrtiefe von maximal 800 Metern nur Impaktite der Auswurfmassen außerhalb des eigentlichen Kraterbereichs geborgen. Die Aussichten, mit einer Bohrung Bruchstücke des Impaktors zu finden, sind allerdings extrem gering. Dieser ist im Moment des Einschlags durch die enorme Energiefreisetzung nahezu restlos verdampft.

In einem Kooperationsprojekt unter Leitung des Internationalen Kontinentalen Tiefbohrprogramms am GeoForschungsZentrum Potsdam wurde 2002 das Chicxulub Scientific Drilling Project durchgeführt. Die Kernbohrung erreichte eine Tiefe von 1511 Metern. Sie förderte einen nahezu vollständigen Bohrkern von känozoischen Sedimentgesteinen (0–795 m), verschiedene Lagen von Impaktiten innerhalb des Kraters (794–896 m) sowie eine Sequenz von Gesteinsschichten aus der Oberkreide, die vermutlich von einem in den Krater gerutschten Megablock des Untergrundes stammt (896–1511 m). Mehrere Forschergruppen untersuchten danach die gut erhaltenen Impaktite unter mehreren Aspekten. Erste Ergebnisse wurden 2004 in einem Sonderband der Fachzeitschrift Meteoritics & Planetary Science veröffentlicht. 2016 wurden weitere Tiefenbohrungen geplant. Sie reichten bis 1335 Meter unter den Meeresboden Die Forschungsergebnisse wurden seit 2018 veröffentlicht und gaben viele neue Aufschlüsse über die Zeit kurz nach dem Einschlag.

Die Tanis-Fundstelle

Im Südwesten des US-amerikanischen Bundesstaats, in einem Teil der berühmten Hell Creek Formation, haben Paläontologen die bislang eindrucksvollsten Hinweise auf den Schicksalstag der Dinosaurier gefunden. Fans von Indiana Jones dürfte der Name Tanis ein Begriff sein. Doch haben die Forscher hier nicht etwa die verlorene Bundeslade gefunden. Sie stießen in Tanis auf Ablagerungsschichten, die sich am Ende der Kreidezeit gebildet haben. Und offenbar nur wenige Stunden, Minuten und Sekunden nach dem Einschlag des Chicxulub-Meteoriten!

Die Fundstätte wurde ursprünglich im Jahr 2008 von Professor Steve Nicklas von der University of North Georgia und dem Feldpaläontologen Rob Sula entdeckt. Ihr Team fand dort vor allem Fossilien von Fischen. Zu Forschungszwecken wurden sie an das Field Museum of Natural History in Chicago geliefert. Nicklas und Sula erkannten die Einzigartigkeit der Stätte und zogen auch Robert DePalma, einen Doktoranden der University of Kansas, hinzu. DePalma grub in Tanis seit 2012 über mehrere Jahre hinweg, aufgrund der enormen Brisanz jedoch zuerst im Geheimen. Erst 2019 veröffentlichte er seine ersten Forschungsergebnisse. Zu den Co-Autoren gehörten auch Walter Alvarez und Jan Smit, beide renommierte Experten für das kreidezeitliche Massenaussterben.

Robert DePalma (rechts) fand an der Tanis-Fundstätte eindrucksvolle Belege für den letzten Tag in der Ära der Dinosaurier.

Spuren der Verwüstung

Tanis lag vor 66 Ma etwa 3.000km vom Einschlagsort entfernt, an der Biegung eines Flusses unweit der Küstenlinie des Western Interior Seaways. Dieses großen Binnenmeer öffnete sich damals zum Golf von Mexiko. Die Fundstätte wurde allerdings nicht von einem Tsunami, sondern offenbar von einer gewaltigen seismischen Welle, einer sogenannten Seiche heingesucht. Der Tsunami hätte mehrere Stunden für diese Strecke gebraucht. Doch die Schockwelle des Aufpralls selbst löste in der Flussmündung schon Minuten nach dem Einschlag eine 10 bis 100m hohe Springflut aus, die alles unter sich begrub.

Spuren dieser Flutwelle, sowie kristalline Hinweise auf den Regen aus geschmolzenem Gestein, wurden von DePalma und seinen Kollegen dokumentiert und beschrieben. Das gesamte Areal wurde durch ungeheure Kraft in Sekundenschnelle überflutet. Meer, Land- und Süßwassertiere und -pflanzen sowie andere Trümmerteile wurden kilometerweit ins Landesinnere gespült. Mehrere Male wurde der Ort von weiteren Wellen wieder freigelegt und anschließend wieder zugeschüttet. Und das geschah den Spuren nach noch bevor der Gesteinsregen des geschmolzenen Meteoriten allmählich einsetzte. In mehreren Fisch-Fossilien, die in Tanis zu Hunderten überliefert sind, fanden die Forscher Mikrotektite. Das sind kleine Glaskügelchen, die beim Atmen in ihre Kiemen gelangten, und sie allmählich verstopften. Alle gefundenen Fische weisen eine Körperhaltung auf, wie sie durch einen Erstickungstod typisch ist (Tetanie).

Chemische Analysen bestätigten, dass die Glaskügelchen in ihrer Zusammensetzung mit Proben aus dem Chicxulub-Krater identisch sind. In Bernsteinfossilien wurden außerdem Dinosaurierfedern entdeckt, außerdem fanden die Forscher dort Überreste der meisten aus Hell Creek bekannten Dinosaurier. Zu den aufsehenerregendsten Funden gehörten zudem Fossilien von Baby-Dinosauriern und intakte Eier mit Embryofossilien, Fossilien von ansonsten in Hell Creek sehr seltenen Flugsauriern, Ameisennester, die ebenfalls von den Asteroidentrümmern aufgefüllt wurden, einige winzige bewohnte Höhlen von Säugetieren, die vermutlich erst nach dem Einschlag gegraben wurden, sowie einen teilweise mumifizierten Thescelosaurus mit noch intakter Haut.

Tanis – Paläontologischer Millionenfund und Lösung des großen Rätsels?

Die Entdeckungen aus Tanis ergänzen die Forschungen am Chicxulub-Krater und liefern konkrete Hinweise auf den tatsächlichen Hergang der Katastrophe. Manche Forscher sehen DePalmas Ergebnisse allerdings auch mit Skepsis. Ein so einmaliges, punktuelles Ereignis der Erdgeschichte direkt im Fossilbericht? Das ist schon ein ausgesprochen unwahrscheinlicher Millionentreffer. Kollegen werfen DePalma deshalb gern einen Hang zur Überinterpretation und unsaubere Forschungspraxis vor. Nur aus Neid? Oder doch berechtigt? Nun, völlig haltlos ist die Kritik jedenfalls nicht. DePalma hat nämlich schon zuvor bei seiner Beschreibung des Dakotaraptors nicht ganz sauber gearbeitet. Das vermeintliche Gabelbein des Dinosauriers entpuppte sich als Plastron einer großen Schildkröte.

Ende 2022 wurde auerdem eine Gegenstudie zur Arbeit DePalmas veröffentliche, die schwere Vorwürfe gegen den jungen Paläontologen erhob. Daten aus seiner Studie, die sowohl Isotopenanalyse sowie eine Analyse der Osteologie von Fischen aus der spektakulären Tanis-Fundstelle verwendete, könnten nämlich getürkt worden sein! Eine Forschergruppe um Melanie A. D. During von der Uppsala Universitet (Schweden) konnte in einer eigenen Studie eine Reihe von besorgniserregenden Anomalien in Bezug auf die Studie von DePalma et al. feststellen.

Schwere Vorwürfe und ein wissenschaftlicher Skandal!

Primärdaten würden einfach nicht bereitgestellt, das Labor, in dem die Analysen durchgeführt wurden, sei nicht angegeben, und die Methoden auch nur unzureichend beschrieben, so lauten die Vorwürfe der schwedischen Kollegen. Sie seien auf alle Rückfragen immer wieder vertröstet worden, und schließlich erst Monate, nachdem das spektakuläre Paper draußen war, seien schließlich Fotografien mit niedriger Auflösung von zerknitterten Ausdrucken ohne Zeit- und Datumsstempel und unleserlichen Zahlen und Diagrammen ohne Werte auf den Achsen eingetrudelt – sehr verdächtig! Einige Grafiken, die angeblich von 19 verschiedenen fossilen Exemplaren stammen sollen, passen zudem perfekt zusammen, wenn man sie übereinanderlegt. Sie stammen höchstwahrscheinlich alle von dem gleichen Fossil.

Somit müssen wir uns fragen, ob die bisherigen Daten möglicherweise von DePalma geschönt wurden, um zu einer bereits bekannten Schlussfolgerung zu passen. Um die Pressewirksamkeit seiner Entdeckung war sich DePalma schließlich immer bewusst, die er offenbar für einen steilen Karriereschub nutzen wollte. Die Enthüllung der Schweden bedeutet nun großen Ärger für den amerikanischen Paläontologen, vielleicht sogar das Karriereende. Ob man deshalb aber alle seine erschienenen Tanis-Paper komplett anzweifeln sollte, sei dahingestellt. Faszinierend sind die Entdeckungen ja auf jeden Fall! Und sie decken sich doch ziemlich gut mit dem, was man über den Schicksalstag der Dinosaurier auch aus anderen Quellen immerhin schon weiß.

Wie dieser Tag im Detail ablief, erfährst du im nächsten Artikel. Aber sei gewarnt! Es geht um eine der schlimmsten und leidvollsten Katastrophen, die unser Planet je erleben musste.

Die übrigen Artikel aus meiner Artikelreihe Die Katastrophe von Chicxulub:


01 – Phänomen Massenaussterben

02 – Forschungsgeschichte

03 – Der Schicksalstag der Dinosaurier

04 – Das Massenaussterben am Ende der Kreidezeit

05 – Meteoriten – noch immer eine Bedrohung?


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