Wir leben in einer Zeit, in der sich Informationen rasant verbreiten. Aber nicht immer beruhen sie auf verlässlicher, wissenschaftlicher Grundlage. Besonders gefährlich wird es, wenn sich Personen den Anschein von Wissenschaftlichkeit geben, obwohl sie selbst überhaupt keine Forschung betreiben – sogenannte Pseudo-Wissenschaftler. Sie treten mit Grafiken, Fachbegriffen oder Laborkitteln auf, zitieren selektiv Studien oder verwenden wissenschaftlich klingende Sprache, um ihren Aussagen Autorität zu verleihen. Gerade in brisanten gesellschaftlichen Debatten, etwa zur Klimakrise, aber auch zu Evolution und insbesondere bei Gesundheitsthemen, versuchen solche Akteure, Zweifel an etabliertem Wissen zu säen und Unsicherheit zu erzeugen. Es ist also sehr wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und dabei zu lernen, wie man Pseudo-Wissenschaft als solche erkennt.
Was wir uns dabei zuerst bewusst machen müssen: Pseudowissenschaftler imitieren echte Wissenschaft! Sie sprechen gezielt jene Menschen an, die sich ohnmächtig oder überfordert fühlen und eine einfache Erklärung für komplexe Probleme suchen. Mir verhängnisvoller Wirkung: Sie untergraben das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen, fördern Verschwörungsdenken, verzerren die öffentliche Debatte und gefährden so die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung.
Es ist aber auch für dich persönlich wichtig, die rhetorischen Strategien und typischen Trugschlüsse pseudo-wissenschaftlicher Argumentation zu erkennen. Denn du selbst, aber auch Menschen, die dir am Herzen liegen, können durch pseudowissenschaftlichen Unsinn in Gefahr geraten. Sogar in Lebensgefahr! Wer versteht, wie sich seriöse Wissenschaft von ihrem Zerrbild unterscheidet, kann nicht nur sich selbst davor schützen, den Pseudowissenschaftlern auf den Leim zu gehen, sondern sich andere aufklären und sie vor Manipulation schützen.
Die scheinbare Gewissheit und schnellen Lösungen der Pseudowissenschaften sind oft verlockend und können oft beim ersten Mal schon sehr überzeugend klingen. Aber: Wir können ihr perfides Schema erkennen, wenn wir auf einige klare Warnsignale achten. Und dann müssen wir sofort anfangen, selber zu denken – was ein bisschen ironisch ist, denn Wissenschaftsleugner behaupten ja ständig und sehr laut, genau das ja zu tun. Tun sie aber nicht! Lass dich von solcher Großspurigkeit nicht beeindrucken!
Der Unterschied zwischen „schlechter“ Wissenschaft und Pseudo-Wissenschaft
Pseudowissenschaft unterscheidet sich sogar eklatant von „schlechter“ Wissenschaft. Was? Es gibt auch „schlechte“ Wissenschaft? Natürlich gibt es die! Wissenschaftler sind ja schließlich auch nur Menschen. Und alle Menschen machen Fehler. Manche haben auch Fehler, nämlich charakterliche. Und wieder andere stehen unter einem so hohen Veröffentlichungsdruck, dass Fehler und Schlampereien direkt vorprogrammiert sind. Der entscheidende Unterschied, was schlechte Wissenschaft von Pseudo-Wissenschaft trennt: Schlechte Wissenschaft nutzt durchaus wissenschaftliche Methoden. Die Schlampereien passieren lediglich bei der Anwendung. Wir sprechen hier z.B. von zu kleinen Stichproben, Verzerrungen, oder auch bewusster Übertreibung und sogar Falschdarstellung. Auch in der Paläontologie gibt es durchaus Forscher, denen vorgeworfen wurde, wissenschaftliche Standards (bewusst oder unbewusst!) verletzt zu haben: Vorwürfe von Datenmanipulation, oder auch die Kleinhaltung oder gar Verweigerung der Transparenz für andere Forscher findet man auch in unserer Lieblings-Disziplin.
Aber: ein schlechter Wissenschaftler mit einem schlechten wissenschaftlichen Paper fliegt früher oder später auf, weil ihm dabei ja die gesamte akademische Fachwelt auf die Finger schauen kann. Wenn du selbst schonmal bei einer Klassenarbeit geschummelt hast und damit durchgekommen bist: Schwein gehabt. Als Forscher musst du dir aber vorstellen, dass deine“ Klassenarbeit“ durch die Hände und unter die Augen des gesamten Lehrerkollegiums kommt. Und zwar weltweit! Da gucken also dutzende wachsame Leute drauf, die alle mindestens genauso clever sind wie du. Und manchmal sogar noch Jahre nach deiner Schummelei! Es stellt sich somit weniger die Frage, ob deine Schummelei irgendwann jemandem auffällt, sondern vielmehr, wann. Messfehler und sogar Fälschungen werden so früher oder später immer entdeckt und korrigiert.
Und somit kann auch „schlechte“ Wissenschaft am Ende doch wieder gut werden! Falls ein Fehler entdeckt wird, wird dieser korrigiert. Und falls wirklich mal ein Forscher unredlicher Methodik überführt wird, ist seine Karriere meistens sogar am Ende. Die Konsequenzen für „schlechte“ Wissenschaft können also sogar sehr drastisch ausfallen! Pseudowissenschaft hingegen kann niemals gute Wissenschaft werden, weil sie gar keine Wissenschaft ist und niemals war!
Die Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens
Wie echte Forschung eigentlich funktioniert, habe ich in einem eigenen Artikel ausführlich erklärt. Schau gerne rein, wenn du lernen möchtest, wie du seriöse Forschung von Pseudo-Wissenschaft unterscheiden kannst!
Warum wir auf Pseudowissenschaft hereinfallen
Pseudowissenschaft ist aber dennoch nicht zu unterschätzen, weil sie sehr leicht verfängt. Sie arbeitet ja vor allem emotional, aber auch mit einer Argumentationsstrategie, die für Laien ohne wissenschaftlichen Hintergrund oft seriös und überzeugend klingt. Dahinter steckt ein System von Erklärungen, Methoden und Annahmen, das sich als Wissenschaft ausgibt und auch oft hochgestochene, akademische Sprache verwendet. Dabei werden aber die grundlegenden wissenschaftlichen Prinzipien wie Überprüfbarkeit und Falsifizierbarkeit nicht beachtet! Aber wieso wirkt es trotzdem? Wieso fallen nicht nur die allerletzten Dummbratzen darauf rein, sondern auch viele ganz normale, anständig gebildete Leute?
Emotionale Verknüpfungen, logische Trugschlüsse und anekdotenbasierte Evidenz
Wir Menschen sind Wesen, die immerzu nach Mustern suchen. Wir mögen keine Unsicherheit und streben stets nach Kontrolle, besonders in schwierigen Situationen, etwa bei einer schwer lösbaren medizinischen Erkrankung. Pseudowissenschaft nutzt dies aus, indem sie einfache, sichere Lösungen für schwierige Probleme verspricht. Ihre Vertreter sprechen oft mit absoluter Überzeugung, während evidenzbasierte Fachleute vorsichtig formulieren und in Wahrscheinlichkeiten sprechen. Genau hier liegt das Problem: denn das wirkt natürlich weit weniger beruhigend und stimmt einen bei ernsten Problemen auch nicht unbedingt zuversichtlich.
Wenn dir ein Arzt z.B. von einer Erfolgsquote von 64,8% bei einer Therapiemethode für deine ernste, vielleicht sogar lebensbedrohliche Krankheit erzählt (was eigentlich hoch ist!), und du dann auch noch unter den unangenehmsten Nebenwirkungen zu leiden hast – dann macht das natürlich nur wenig Mut. Wenn du aber von einem Pseudowissenschaftler hörst, dass er jeden einzelnen (!) seiner Patienten in Nullkommanix und ohne Nebenwirkungen heilen konnte – dann sind diese Behauptungen deutlich hoffnungs- und reizvoller. Und du denkst dir dann: wieso nicht wenigstens mal ausprobieren? Wenn dann sogar tatsächlich endlich eine Besserung eintritt, dein Leiden vielleicht sogar wirklich ein Ende nimmt und du wieder ganz gesund wirst, könntest du sogar zu dem Schluss kommen, dass es allein an den „alternativen“ Methoden lag.
Mentale Abkürzungen
Diese Denkweise, die sich oft zu festen Überzeugungen verankert, kann man als „mentale Abkürzungen“ bezeichnen. Sie verstärken den Reiz der Pseudowissenschaft: Bestätigungsfehler (sog. confirmation bias) und motiviertes Denken (motivated reasoning) begünstigen letzten Endes nämlich oftmals genau das, was wir uns wünschen. Das erklärt übrigens auch die „Wirkung“ von Placebo-Medikamenten oder Homöopathika! Eigentlich „wirkt“ da nämlich gar nichts. Aber die Psychologie ist ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Bewältigung auch der allergrößten Probleme. Und oft sind Erfolg, ja sogar Gesundheit, sogar vor allem eine Frage der richtigen Einstellung.
Somit lassen wir uns eher von anschaulichen Anekdoten als von statistischen Daten überzeugen. Und das passiert jedem von uns! Auch ich bin, ohne dass ich auch nur den Hauch eines wissenschaftlichen Belegs dafür habe, von allerlei Quatsch überzeugt. Wichtig ist: wir dürfen einander für unsere Überzeugungen nicht verurteilen. Wenn diese aber tatsächlich problematisch werden, sollten wir vielmehr versuchen, unsere Mitmenschen mit logischen Argumenten zu überzeugen. Sie sanft auf die Problematik hinweisen, aber ohne Vorwürfe zu erheben. Das kann mitunter aber ziemlich schwierig sein. Deshalb braucht man bei diesem Thema sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Und man muss auch bereit sein, anzuerkennen, wenn der oder die andere die gutgemeinten Ratschläge nicht will. Zwinge dich also bitte niemanden auf, wenn er eine starke Ablehnung signalisiert.
Zehn Warnsignale für Pseudowissenschaft
Was du aber durchaus verlangen kannst: Dass dein Gegenüber sein eigenes Verhalten und seine „Überzeugungen“ selbst reflektiert. Und du kannst ihm die Möglichkeit an die Hand geben, selbst zu erkennen, wo denn die Schwächen in der Argumentation liegen, wenn er Opfer von pseudo-wissenschaftlichem Nonsens wurde. Aus der Psychologie habe ich dir hier nun einige Warnsignale herausgearbeitet, wie du Pseudowissenschaft erkennen und durchschauen kannst. Wie du hoffentlich nicht mehr so leicht selbst drauf reinfällst. Und wie du das auch anderen beibringen kannst – ohne aufdringlich zu sein!
Deshalb: Wenn du das alles schon vorher wusstet, gut. Aber sprich bitte auch mit deinen Mitmenschen, insbesondere mit Kindern darüber! Diese zehn Signale können auch die Kleinsten spielend einfach zu erkennen lernen. Aber sie werden in der Schule leider oft nicht oder nur unzureichend gelehrt. Von daher liegt es an dir als Mama oder Papa, deinem Kind das nötige Knowhow mitzugeben. Besonders in einer Welt, in der Pseudo-Wissenschaft immer sichtbarer, lauter und „angesagter“ wird. Denn viele Pseudo-Wissenschaften sind wirklich gefährlich!
#1: Nicht falsifizierbare Behauptungen
Pseudowissenschaftler behaupten gerne, dass Krankheiten durch bestimmte „negative“ Energien, durch Schwingungen des zu sich genommenen Wassers oder sogar durch „böse Geister“ ausgelöst werden. Wenn du dann nachfragst, ob es denn dafür auch einen Beleg oder eine wissenschaftliche Arbeit dazu gibt, hörst du dann oft das Narrativ, dass die Wissenschaft ja vieles heute noch gar nicht wüsste und noch lange nicht alles erklären könne. Das mag zwar vielleicht stimmen, aber: es ist wissenschaftlich gar nicht möglich, die Nicht-Existenz von etwas zu belegen. Nur die Existent kann empirisch nachgewiesen werden!
Egal ob es um Energien, Schwingungen oder Geister, oder auch Feen, Drachen und Kobolde geht: Eine Behauptung, die niemals als falsch nachgewiesen werden kann, ist auch niemals wissenschaftlich, egal welcher hochdekorierte Professor davon schwadroniert! Du solltest jedenfalls immer dann skeptisch werden, wenn du erkennst, dass dein Gegenüber dir gar keine Möglichkeit zum Widerlegen einer bestimmten Behauptung offenlässt. Denn offen gesagt fordert man hier von dir nur einen blinden Glauben ein.
#2: Umkehrung der Beweislast
Der nächste Schritt, der mit dem ersten Punkt oft Hand in Hand geht: Pseudo-Wissenschaftler brüsten sich oft damit, dass die „Gegenseite“ ihre Behauptungen nicht widerlegen könne. Oder: dass die Forschung bislang noch keinen Beweis erbringen konnte, dass die bescholtenen Ursachen für bestimmte Probleme wie Krankheiten nicht existieren! Damit zäumen sie das Pferd aber von hinten auf. In einer rationalen, wissenschaftlichen Argumentation muss – übrigens genau wie vor Gericht! – immer derjenige, der eine Behauptung (oder Beschuldigung) aufstellt, die Beweise liefern. Ein fehlender Gegenbeweis ist aber kein Beweis!
Wenn z.B. ein Pseudo-Archäologe davon schwadroniert, dass die „Mainstream-Wissenschaftler“ seine Thesen zu einem frühen Kontakt zwischen Ägyptern und den alten Maya noch nicht widerlegen konnten; oder dass es bislang keinen „echten“ Beweis dafür gäbe, dass die Pyramiden nicht viel älter sind als bislang gedacht – dann ist das Pseudo-Wissenschaft! Wie du selbst erkennst: hier kehrt jemand die Beweislast um. Denn der Typ müsste nämlich selbst Belege liefern, dass seine Thesen stimmen. Wenn er aber noch nicht einmal einen Hinweis bringen kann – und Vermutungen sind keine Hinweise! – dann ist die echte Wissenschaft ihm nicht das geringste schuldig.
#3: Faule Ausreden (Special Pleading)
Das Weg-Erklären unbequemer Wahrheiten gehört ebenfalls mit zum Repertoire des Schwurblers. Denn natürlich er tätigt ja durchaus auch Behauptungen, die sich sehr wohl wissenschaftlich überprüfen und widerlegen lassen. Wenn aber dann tatschlich stichhaltige Daten und Fakten gegen die eigene Position vorgebracht werden, erfindet der Pseudo-Wissenschaftler einfach Ausreden. Das ist aber immer ein logischer Fehlschluss, bei dem er eine künstliche Ausnahme konstruiert, um die Behauptung zu retten.
Ein hervorragendes Beispiel hierfür findet man immer wieder beim Thema Homöopathie. Hier haben mehrere empirische Studien mit Test- und Kontrollgruppe keinerlei Unterschied zwischen homöopathischen Mitteln und Placebos nachweisen können. Die Anhängerschaft liefert aber natürlich gerne Ausreden: „Ja, aber Homöopathie kann nur wirken, wenn der Patient auch wirklich daran glaubt. Das kann man in Studien gar nicht richtig messen.“ Merkst du den Fehler selbst? Denn schon sind wir wieder bei den ersten beiden Punkten.
#4: Rosinenpickerei
Was auch immer wieder vorkommt: Der Pseudo-Wissenschaftler liefert dann mal wirklich eine echte wissenschaftliche Studie, um seine Position zu belegen. Das Raffinierte dabei: er sucht gezielt Belege heraus, die nur die eigene Behauptung stützen, und ignoriert den ganzen Rest. Zum Beispiel wird er vielleicht beim Thema „Wassergedächtnis“ mit einer echten Studie aus den 1980ern um die Ecke kommen. Was er dabei bewusst verschweigt: Dieses Experiment konnte nie unter kontrollierten Bedingungen erfolgreich wiederholt werden. Es verletzt damit den wissenschaftlichen Standard der Replizierbarkeit – und kann damit als unwissenschaftlich gelten.
Das gute ist: Du kannst das heute sehr einfach nachprüfen. Hake nach! Lass dir den Titel der Studie geben. Frage dann eine KI oder Google danach, ob diese Arbeit überhaupt noch Gültigkeit hat, oder ob sie längst als widerlegt gilt. Damit solltest du recht schnell herausfinden können, ob man dir nur eine „faule“ Rosine vorgelegt hat. Und du kannst direkt mit echter Wissenschaft zurückargumentieren. Nutze die moderne Technik zu deinem Vorteil, dann hat ein Pseudo-Wissenschaftler bei dir ganz schlechte Karten!
#5: Missbrauch von Wissenschaftsjargon:
Noch eine fiese Taktik ist der sogenannte „Kugelfisch“: Das ist ein rhetorischer Trick, bei dem jemand seine eigene Argumentation oder auch etwas zuvor gesagten künstlich aufbläht, um klüger, kompetenter und damit überzeugender zu wirken. Der Anwender setzt bewusst auf eine autoritär und fachlich klingende Sprache. Letzten Endes missbraucht er aber einfach nur den Fachjargon, denn der Inhalt des Gesagten hat meistens wenig bis gar keine Substanz. Es geht darum, mit kompliziert klingenden Begriffen und einer Flut an (oft irrelevanten) Informationen zu beeindrucken und den Gegner einzuschüchtern, anstatt wirklich eine schlüssige Beweisführung zu liefern. Eben wie ein Kugelfisch, der eigentlich ein ziemlich kleiner Fisch ist, sich aber aufbläst, um für seine Feinde größer zu wirken, als er eigentlich ist.
Falls dir also jemand mit einer Sprache gegenübertritt, die du kaum oder gar nicht verstehst, lass den Kugelfisch platzen und fordere diesen „Profi“ doch mal dazu auf, es noch einmal in einfacheren Worten zu erklären. Dabei wirst du schnell merken, wenn der Typ selber keine Ahnung hat. Ein wichtiger Grundsatz der Didaktik ist nämlich: wenn ein vermeintlicher Experte das, wovon er redet, nicht sogar einem Sechsjährigen erklären kann, sodass der es wenigstens im Ansatz versteht, dann hat der „Experte“ nämlich selber keine Ahnung. Und wenn du selbst beim achten Nachhaken immer noch kaum ein Wort verstehst: Bingo, du hast sehr wahrscheinlich gerade ein Alarmsignal eines Pseudo-Wissenschaftlers erkannt.
#6: Übermäßiges Selbstvertrauen und „absolute“ Sprache
Ein wichtiger Grundsatz des wissenschaftlichen Arbeitens ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Falsifizierbarkeit. In Rücksichtnahme darauf, dass in der Forschung immer Platz für den Irrtum und für den Zugewinn von Erkenntnissen gelassen werden muss, verwendet ein echter Wissenschaftler immer eine „vorsichtige“ Sprache. Das Wort „wahrscheinlich“ begegnet einem hier zum Beispiel oft, oder auch Phrasen wie „unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass…“ oder „dies Unterstützt die Annahme, dass…“. Aber deute das bitte nicht als „Beweis“, dass die Forscher doch alle selbst keine Ahnung haben! Ja, dieses Narrativ bedienen Pseudo-Wissenschaftler nämlich gerne! Ein echter Forscher kann es sich aber gar nicht erlauben, sich seiner Sache immer zu hundert Prozent sicher zu sein. Und wer sich so ausdrückt, den kannst du direkt als Pseudo-Wissenschaftler erkennen.
Wenn dir jemand also weismachen will, dass sein Brausepulver bei bisher allen behandelten Patienten die übelsten Erkältungen wegbekommen hat, dann solltest du bei dieser gewagten Behauptung direkt misstrauisch werden. Oder wenn ein bestimmtes Medikament (oder sonst ein Produkt!) ausschließlich positive Bewertungen hat. Besonders in der heutigen Zeit setzen Pseudo-Wissenschaftler auch gerne auf KI und Deepfakes, um die Illusion zu erzeugen, dass ihre Behauptungen absolut wahr sind. In angeblich „gelöschten“ Videos sitzen dann auch gerne mal irgendwelche Prominente in irgendwelchen Talkshows, wo sie dann erzählen, wie sie mit Bitcoins oder bestimmten Finanzprodukten wahnsinnigen Erfolg erzielen konnten. Sei dir dieser schamlosen Täuschung immer bewusst und bleibe skeptisch!
#7: Missachtung von Ockhams Rasiermesser
Ein wichtiges Grundprinzip der Forschung besteht bereits seit dem 14. Jahrhundert. Die Rede ist von Ockhams Rasiermesser: William of Ockham (1287 – 1347) postulierte schon damals, dass man von mehreren möglichen Erklärungen für ein Phänomen immer diejenige bevorzugen sollte, die die wenigsten zusätzliche Annahmen voraussetzt und somit am einfachsten ist. Im Detail bedeutet dies: ich kann wie mit einem Rasiermesser alle Hypothesen wegschneiden, die mehrere zusätzliche Parameter benötigen.
Wenn dir also jemand weismachen will, dass Mondfinsternisse von einem unsichtbaren Schattenobjekt verursacht, das nur dann sichtbar ist, wenn es den Mond beschattet – dann benötigt diese gewagte These einfach zu viele Parameter. Wir können das Entstehen solcher Mondfinsternisse schon sehr gut und viel einfacher durch die Zirkulationsbewegungen von Sonne, Mond und Erde erklären und brauchen dafür keine geheimnisvollen „Schattenobjekte“. Genau das gleiche: wenn jemand meint, Aliens hätten die Pyramiden gebaut. Denn für dieses Narrativ braucht es viele zusätzliche Parameter (Leben auf anderen Planeten, eine fremde Zivilisation mit Hochtechnologie, die Überwindung der extremen Distanzen im Weltraum, und nicht zuletzt ein Motiv: was sollte es den Aliens überhaupt bringen, dass irgendwelche irdischen Nacktaffen sich an viereckigen Gebäuden mit einer Spitze erfreuen?). Die Erklärung, dass es doch die Ägypter selbst waren, ist sehr viel einfacher – und somit wahrscheinlicher.
#8: Zu großes Gewicht auf Anekdoten
Pseudo-Wissenschaftler picken sich zudem gern eigene Erlebnisse heraus, um sie als Scheinbeweise ins Feld zu führen. Du könntest jetzt vielleicht denken: Etwas, was ich selbst oder andere mit ihren eigenen Augen gesehen haben, muss aber doch etwas wert sein, oder? Die Antwort ist nein! Erstens lassen sich Anekdoten auf ihren Wahrheitsgehalt nämlich nur schwer überprüfen. Zweitens ignorieren sie meistens, dass es immer mehr als nur eine logische Erklärung geben könnte, selbst wenn die Geschichte wahr sein sollte! Und drittens: Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine eigene Anekdote kann durchaus eine Ausnahme sein, die sehr konträr zur Gesamtlage steht.
Wenn z.B. dein Onkel Herbert sich über den vielen Regen und die sibirischen Temperaturen in den ersten Juli-Wochen ärgert und dann damit anfängt, damit das Phänomen der globalen Erwärmung wegzudiskutieren – dann hast du diese „anekdotische Evidenz“ selbst schon erlebt. Oder wenn Tante Marta auf die „Energieheilung“ schwört, mit der ihr Heilpraktiker ihren fiesen Tinnitus endlich weggekriegt hat. Wie kannst du dagegen argumentieren? Oft gar nicht. Solche Herberts und Martas sind meistens ziemlich stur und von ihrem Glauben überzeugt. Aber du musst dich natürlich nicht von ihnen einlullen lassen. Schau dir lieber die validen Messdaten und Forschungsergebnisse an. Die sprechen nämlich eine andere, verlässlichere Sprache.
#9: Widerstand gegen Veränderung
Was du bei Pseudo-Wissenschaften aller Couleur immer wieder beobachten kannst: sie bleiben sich und ihren Narrativen stets treu. Da ändert sich im Grunde nichts. Homöopathie-Befürworter hängen nach wie vor den (unbelegten!) Behauptungen Samuel Hahnemanns aus dem frühen 19. Jahrhundert an. Als Charles Darwin seine Evolutionstheorie vorstellte, und Geologen mehr und mehr Belege lieferten, dass die Erde viele Millionen Jahre alt sei, begannen die meisten Kirchen, die Bibel bzw. wenigstens die Schöpfungsgeschichte symbolisch auszulegen – aber eine kleine Minderheit hielt am wörtlichen Verständnis fest und glaubt weiterhin an Adam, Eva, den Apfel und die Schlange. Auch die Flat-Earth-Society hat ihre Ursprünge etwa in dieser Zeit, z.B. mit Samuel Rowbotham. Sie alle wiederholen denselben Quatsch seit über 100 Jahren, mit immer den gleichen Argumenten.
Wissenschaftliche Ideen entwickeln sich aber immer weiter, mit neuen Daten kommen neue Erkenntnisse. Das erkennst du als Fan dieser Seite schon daran, wie sich das Bild der Dinosaurier über die Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert hat – und bis heute verändert. Wenn zentrale Behauptungen einer bestimmten Idee aber immer starr und unbeweglich bleiben, ist das ein klares Zeichen für Pseudo-Wissenschaft!
#19: Fehlende Offenheit und Toleranz
Ich habe in der letzten Zeit oft den Vorwurf gehört, dass ich total intolerant sei. Was ich denn bitte gegen die „armen“ Kreationisten hätte, das seien doch im Grunde völlig harmlose Spinner. Ich solle ihnen doch bitte ihren Glauben lassen. Gleiches auch für Homöopathie-Befürworter, Klimawandel-Skeptiker, Flacherdler… und am besten auch für Corona-Leugner, Impfgegner, Querdenker und Neonazis. Sei doch mal etwas toleranter, Markus! Jeder hat doch ein Recht auf seine freie Meinung!
Wie sehr es dabei in meinem Magen brodelt, wenn ich sowas höre, kann ich dir wahrscheinlich nicht beschreiben. Aber ich kann dir erklären, warum: Toleranz ist ganz einfach keine Einbahnstraße. Ich war in den letzten 20 Jahren aber genau auf einer solchen unterwegs und zu all diesen Leuten immer tolerant und gesprächsoffen. Ich habe mich intensiv mit Kreationisten, Impfgegnern, Homöopathie-Gurus und so weiter unterhalten sie zu verstehen gesucht. Aber das hat aus einem ganz bestimmten Grund nicht geklappt.
Offenheit bedeutet nämlich, bereit zu sein, die eigene Meinung zu ändern, wenn die Gegenseite Argumente bringt, die einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, und die sowohl logisch als auch nachvollziehbar sind. Dieses Prinzip ist in der Wissenschaft fest verankert: Alle Schlussfolgerungen sind vorläufig, Unsicherheiten werden stets eingeräumt und anerkannt und alle bisherigen Erkenntnisse können sich mit neuen Daten ändern.
Pseudo-Wissenschaftler machen aber stets das genaue Gegenteil: Sie behaupten, dass sie allein im Recht seien, und wehren sich gegen jede Einsicht und Korrektur ihres Weltbildes. Damit ist es unmöglich, sie mit empirischen Belegen, noch nicht einmal mit klarer Logik zu überzeugen. In den letzten 20 Jahren ist jede, wirklich jede Unterhaltung mit einem Anhänger von Pseudo-Wissenschaften für mich fruchtlos und enttäuschend zu Ende gegangen. Oft sogar mit einseitigen Beleidigungen, oder dass ich am Ende einfach geblockt oder schlicht ignoriert wurde. Ihnen fehlt somit selbst jede Toleranz! Und intoleranten Menschen gegenüber muss ich mich nicht tolerant zeigen. Das habe ich viel zu lange getan. Und jetzt für mich entschieden, die Tür zu zumachen. Meine vermeintliche „Intoleranz“ ist somit eine Reaktion, keine Aktion. Und sie basiert – wie alle wissenschaftliche Erkenntnisse – auf überprüfbaren und wiederholbaren Daten.
Wenn du dich lange genug mit Pseudo-Wissenschaften befasst, wirst du also unweigerlich selbst zum gleichen Ergebnis kommen wie ich. Und das als letzten Punkt festhalten: Pseudo-Wissenschaftler erkennst du daran, dass sie sich niemals auf deine Argumente einlassen und du von ihnen niemals ein „In diesem Punkt hast du vielleicht Recht“ hören wirst. Stattdessen werden sie stets versuchen, dich zu „bekehren“. Auf deine Nachfragen nach wissenschaftlichen Belegen, auf das Aufdecken ihrer Rosinenpickerei und ihrer Anekdoten reagieren sie genervt wie eine gereizte Wespe. Und irgendwann hauen sie dir die Tür vor der Nase zu.
Warum du gegenüber von Pseudo-Wissenschaftlern nicht tolerant sein musst
Toleranz ist zwar etwas Wunderbares, das ich auf meiner Seite nicht nur fordere, sondern auch bewusst lebe! Aber sie ist auch ein zweischneidiges Schwert. Gewähren wir sie nämlich auch den Pseudo-Wissenschaftlern, die selbst von Natur aus eine intolerante und extremistische Grundeinstellung haben, geht die Toleranz unter. Dieses Phänomen wurde von Karl Popper eingehend beschrieben:
„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden, und die Toleranz mit ihnen.“
Toleranz braucht somit für Pseudo-Wissenschaftler nicht zu gelten! Denn Toleranz ist keine Einbahnstraße, sondern vielmehr sowas wie ein gegenseitiger Vertrag. Und selbstverständlich gilt ein Vertrag als ungültig und aufgekündigt, wenn sich eine Seite nicht an die Vertragsbedingungen hält. Pseudo-Wissenschaftlern das Gespräch anzubieten und auf eine fruchtbare Diskussion auf Augenhöhe zu hoffen, ist – sorry, aber das ist nun mal meine Erfahrung – nur naiv. Das Es nicht gelingen, da diese Leute nicht an der Erweiterung ihres Horizonts oder Weltbildes interessiert sind. Sie interessiert nur, dich von ihrer Sicht zu überzeugen!
Wer mit Pseudo-Wissenschaftlern diskutiert und immer wieder offen auf sie eingeht, verhält sich genauso bescheuert, wie jemand, der versucht, mit einer Taube Schach zu spielen: Die Taube hält sich nämlich nicht an die Spielregeln der Wissenschaft. Sie schmeißt alle Figuren einfach vom Spielfeld, kackt dann aufs Brett und fliegt davon, so als hätte sie gewonnen. Genauso verhalten sich Pseudo-Wissenschaftler, wenn man ihnen medial eine Bühne gibt. Begegnet man ihnen naiverweise mit Toleranz, weil sie ja auch ihre „Meinung“ sagen dürfen sollten, so ist das ein dummer, wirklich saudummer Fehler! Man kann hierbei nur verlieren.
Deshalb: schalte ab, wenn du einen Pseudo-Wissenschaftler erkennst. Lass dich auf keine Diskussionen ein. Und sprich auch nicht selbst darüber. Extremistische Inhalte sollten nicht reproduziert werden, außer vielleicht aus Gründen der Didaktik (so wie hier). Wenn du aber schon darüber sprechen musst, dann lass klar erkennen, was es ist: nämlich Schwachsinn der allerbrutalsten Sorte! Im nächsten Artikel gehen wir noch einen Schritt weiter: da nehmen wir die Strategien der Wissenschaftsleugner und anderer Extremisten noch ausführlicher unter die Lupe. Du wirst lernen, wie Scheinargumentationen aufgebaut sind. Und wie du sie nicht nur durschauen, sondern auch bekämpfen kannst!