Stell dir vor, du reist ans Ende der Kreidezeit. Die Welt käme dir dabei zunächst vertraut vor, und doch würdest du dich auf einem völlig anderen Planeten befinden. Die uns doch so beständig erscheinende Erde unterliegt nämlich in Wahrheit ständigen Veränderungen. Und so war auch im Maastrichtium, wie wir den letzten Zeitabschnitt der Kreidezeit nennen, vieles noch ganz anders. Die Kontinente hatten damals zwar schon größtenteils eine ähnliche Position wie heute. Doch nur auf den ersten Blick: bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass einige Kontinente noch viel näher beieinander liegen, andere wiederum auch noch viel, viel weiter voneinander entfernt. Manche Landmassen, die heute zusammenhängen, hatten sich auch noch nicht zu zusammenhängenden Kontinenten verbunden. Und vor allem fällt auf: Die Erde war damals sehr viel grüner und blauer als heute. Machen wir uns also auf zu einer Zeitreise und werfen einen Blick auf die interessante Geographie vor 66 Millionen Jahren!
Nicht einmal ein Kompass würde am Ende der Kreidezeit richtig funktionieren. Das Magnetfeld der Erde kehrt sich etwa alle 250.000 Jahre um. Dann kann es vorkommen, dass der magnetische Nordpol auch mal in der Nähe des geographischen Südpols liegt. Auch am Ende der Kreidezeit könnte das der Fall gewesen sein – und zwar sogar mehrfach! Wenn wir über einen Ablagerungszeitraum von insgesamt zwei Millionen Jahren sprechen, wenn es um die Hell Creek Formation geht, dann haben Dinosaurier wie Tyrannosaurus und Triceratops mehrere Male so einen Polaritätswechsel erlebt. [1] [2]
Kontinente und Landverteilung am Ende der Kreidezeit
Ebenso verändert hat sich die Lage unserer heutigen Erdteile. Sie treiben auf dem flüssigen Erdmantel und verändern ihre Position langsam, aber stetig. Dieses Phänomen nennen wir die Kontinentaldrift. Der erste, der sie erkannte und wissenschaftlich beschrieb, war Alfred Wegener. Heute erklärt uns die Kontinentaldrift-Theorie nicht nur die Gestalt unserer Erde, sondern auch, wie Gebirge entstehen und warum es in manchen Gegenden der Welt Vulkanausbrüche und Erdbeben gibt. Denn auch heute noch sind die Kontinente auf ständiger Wanderschaft, wie Marshmallows, die auf heißem Kakao treiben. Das passiert zwar nur sehr, sehr langsam, oft sind es nur wenige Zentimeter pro Jahr. Blickt man jedoch mehrere Jahrmillionen zurück, so wundert es nicht, dass unser Planet in der Kreidezeit doch noch ganz anders aussah als heute.
Europa und Nordamerika
In Europa sah es vor 66 Ma noch etwa aus wie heute in der Karibik. Es bildete noch keinen zusammenhängenden Kontinent, sondern bestand aus mehreren großen und kleinen Inseln. Europa war auch noch nicht mit dem Festland von Asien verbunden. Westlich des Urals trennte die Turgai-Straße, ein großes Flachmeer, beide Kontinente. Große Teile des nördlichen Afrikas und auch Südamerikas lagen ebenfalls unter der Meeresoberfläche. [3] [4]
Auch Nordamerika wäre kaum wiederzuerkennen. Ein flaches Binnenmeer, der Western Interior Seaway (WIS), hatte dort einst einen großen Teil des Kontinents überflutet und ihn in zwei einzelne Landmassen geteilt. Laramidia nennen wir den Teilkontinent im Westen, Appalachia den im Osten. Zeitweilig gab es sogar noch einen dritten isolierten Teilkontinent namens Hudsonia, ganz im Norden Kanadas und Mittelalaskas. Als der Meeresspiegel am Ende des Maastrichtiums wieder sank, zogen sich die Binnenmeere allmählich wieder zurück. Nun verbanden sich die isoliert liegenden Lebensräume wieder zu einer zusammenhängenden Landmasse. Die übrig gebliebenen Meeresarme des einstigen WIS nennen wir Pierre -, Hudson– und Bearpaw–Seaway. [5]
Die Südkontinente
Noch im Jura hatte es im Süden einen riesigen Großkontinent namens Gondwana gegeben, der aber im Laufe der Jahrmillionen in mehrere Teile zerbrochen war. Dieses Ereignis lag im Maastrichtium aber schon viele Millionen Jahre zurück. Die einstigen Teile Gondwanas, also die Antarktis, Australien, Afrika, Südamerika und der Subkontinent Indien, lagen aber zum Teil doch noch dicht beieinander. Indien hatte sich noch nicht mit dem Asiatischen Kontinent verbunden und trieb als Insel – passenderweise – mitten im Indischen Ozean. Außerdem lag Australien weiter südlich, ganz in der Nähe der Antarktis, von der es sich gerade erst zu trennen begann.
Die Nordkontinente
Im Norden gab es einst ebenfalls einen Großkontinent, den wir Laurasia nennen. Die früheren Teile Laurasias, zu denen das heutige Nordamerika, Europa und der größte Teil von Asien gehören, hatten im Maastrichtium schon in etwa die Breitengrade, die sie auch heute haben, eingenommen.
Hinsichtlich der Längengrade gab es aber doch noch einige Unterschiede. Nordamerika und Europa lagen noch viel näher zusammen als heute, sodass das der Atlantik erst wenige hundert Kilometer breit war. Ein zusammenhängendes „Asien“ gab es auch noch nicht. Die arabische Halbinsel war damals noch ein Teil Afrikas, und auch Klein- und Südostasien waren im Maastrichtium noch nicht mit dem Rest Asiens verbunden. Deshalb wird der Kontinent im Osten schlicht Sibiria genannt.
Fehlende Landbrücken – Eine Welt aus Inseln
Viele Landverbindungen, wie es sie heute gibt, gab es in der Kreidezeit also noch gar nicht. So zum Beispiel der Isthmus von Panama, der heute Nord- und Südamerika miteinander verbindet. Er schloss sich erst vor wenigen Millionen Jahren, kurz vor Beginn der quartären Eiszeit. Es gab also keine Landverbindungen zwischen Nordamerika und Südamerika, genauso wenig wie zwischen Europa, Asien und Afrika. Stattdessen wurden die Kontinente des Nordens und die Kontinente des Südens im Maastrichtium durch ein großes Meer getrennt, das sich sowohl im Westen als auch im Osten mit dem Pazifik verband. Das sogenannte Tethysmeer gürtete sich einmal rings um die ganze Erde. Überreste dieses alten Meeres sind heute zum Beispiel das Mittelmeer, das Schwarze Meer und das Kaspische Meer. Dadurch, dass die Kontinente noch so eng beieinander lagen, war auch der Pazifische Ozean noch sehr viel größer als heute. Er bildete ein riesiges, schier endloses Meer, das fast die Hälfte der Erde bedeckte.
Auswirkungen auf meine Geschichte
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Durch den Kontinentaldrift liegt auch die Hell-Creek-Formation, wo die Geschichte spielt, noch auf einem anderen Breitengrad als heute. Die Gesteinsschichten, die heute im Osten des US-Bundestaats Wyoming lagerten, lagen einst auf Höhe von Montana und der kanadischen Provinz Alberta. Deshalb entsprach auch das Tag-Nacht-Verhältnis im Wechsel von Sommer auf Winter eher den kanadischen Gegebenheiten, als denen des heutigen Wyomings. Und auch das Klima als Resultat einer anderen geographischen Lage ganz anders!
Wie die Landschaft dort heute aussieht, und wie es früher war, erfährst du hier! |
Obwohl wir ziemlich gut Bescheid wissen, wie die spätkreidezeitliche Umwelt in Laramidia (westliches Nordamerika) aussah, ist sie aus Appalachia (östlich des Western Interior Seaways) nahezu unbekannt. Die Gesteinsschichten aus jener Zeit sind entweder während des Eiszeitalters vollständig abgetragen oder durch wesentlich jüngere Schichten überlagert worden. Das gleiche gilt übrigens auch für viele andere Teile der Welt. Nicht überall hat man Zugang zu der Zeit von T. rex und Co.!
Deutschland im Maastrichtium
Deutschland lag im späten Maastrichtium hingegen fast vollständig unter dem Meer. Im südlichen Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern bildeten einige tropische Inseln den einzigen Lebensraum, wo auch Dinosaurier lebten. Aus Norddeutschland sind auch Fundstellen aus den ehemaligen Flachmeer-Lebensräumen bekannt, wo man häufig Seeigel, „Donnerkeile“, Fischzähne und andere Fossilien aus genau der Zeit finden kann, in welcher Die Weißen Steine spielt.
Vulkanismus
Die Kontinentaldrift hat allerdings nicht nur Auswirkungen auf die Gestalt der Erde, was nur die Lage der Kontinente betrifft. Wenn zwei tektonische Platten aneinander stoßen, sind die Kräfte, die dabei wirken, gewaltig. Sie rufen Erdbeben und Vulkanausbrüche hervor, und das war im Maastrichtium weit häufiger der Fall als heute! Die Kreidezeit gehörte zu den Zeitaltern mit der höchsten vulkanischen Aktivität überhaupt. Das wiederum hatte auch gewaltige Auswirkungen auf das Klima, denn durch die vielen Vulkane wurden CO₂ und andere Klima-Gase in großen Mengen ausgestoßen. So hängt auch das warme Klima der Kreidezeit unmittelbar mit der Verteilung der Kontinente zusammen. [6] [7] [8] [9]
Durch den extrem hohen Vulkanismus (Superplume) wurde schon in der frühen Kreidezeit der Meeresboden angehoben. Zeitweise lag der Meeresspiegel deshalb mehr als 130m über dem heutigen Niveau! An den Polen gab es außerdem noch keine Eismassen und in den Gebirgen auch verhältnismäßig wenige Inlandgletscher. Und so lagen viele Gebiete, die heute trockenes Festland sind, in der Kreidezeit noch unter Wasser und waren Teil der Weltmeere. Am ausgehenden Maastrichtium begann das Wasser zwar wieder abzusinken, aber noch immer lag der Meeresspiegel ungefähr 90m höher als heute. Das bedeutet, dass damals etwa 1/3 der heutigen Landfläche der Erde vom Meer bedeckt waren, also etwa 81% der Meeresoberfläche (heute sind es 71%). [10] [11] [12]
Quellenbelege:
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S. J. Batenburg, A. S. Gale & M. Sprovieri, F. J. Hilgen, N. Thibault , M. Boussaha & X. Orue-Etxebarria (2014), An astronomical time scale for the Maastrichtian at the Zumaia and Sopelana sections (Basque country, northern Spain), Journal of the Geological Society, London, 171, 165–180, https://doi.org/10.1144/jgs2013-015.
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J. F. Hicks (1999), Magnetostratigraphy, isotopic age calibration and a new calibration point for the Late Cretaceous time scale: the 40Ar/39Ar isotopic age of the C33r/C33n geomagnetic reversal, Physics of the Earth and Planetary Interiors, 113, 1–9, https://doi.org/10.1016/S0012-821X(98)00133-1.
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Michael Allaby (2020), A Dictionary of Geology and Earth Sciences. Oxford University Press.
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John C. Briggs (1995), Global Biogeography. Elsevier Science, Amsterdam.
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Kauffman, Erle G.; Caldwell, W.G.E. (1993). „The Western Interior Basin in Space and Time„. In Caldwell, W.G.E.; Kauffman, Erle G. (eds.). Evolution of the Western Interior Basin. Volume 39 of Geological Association of Canada Special Paper. St. John’s, NL: Geological Association of Canada.
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G. Keller, J. Punekar & P. Mateo (2016), Upheavals during the Late Maastrichtian: Volcanism, climate and faunal events preceding the end-Cretaceous mass extinction, Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, 441, 137–151, https://doi.org/10.1016/j.palaeo.2015.06.034.
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J. S. K. Barnet, K. Littler, D. Kroon, M. J. Leng, T. Westerhold, U. Röhl & J. C. Zachos (2018), A new high‑resolution chronology for the late Maastrichtian warming event: Establishing robust temporal links with the onset of Deccan volcanism, Geology, 46, 147–150, https://doi.org/10.1130/G39771.1.
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Alexa Fischer, Sietske J. Batenburg, André Bahr, Silke Voigt, Anne Rheinberger, Sarah Schmickal, Silvia Rheinberger, Markus Greule, Stefan Rheinberger & Oliver Friedrich (2025), Precession-paced late Maastrichtian bottom-water dynamics, Communications Earth & Environment, 6, Article 239, https://doi.org/10.1038/s43247-025-02219-y.
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Thomas Westerhold, Edoardo Dallanave, Donald Penman, Blair Schoene, Ursula Röhl, Nikolaus Gussone & Junichiro Kuroda (2025), Earth orbital rhythms links timing of Deccan Trap volcanism phases and global climate change, Science Advances, 11, eadr8584, https://doi.org/10.1126/sciadv.adr8584.
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B. L. Otto‑Bliesner (2002), Late Cretaceous ocean: Coupled simulations with the National Center for Atmospheric Research Climate System Model, Journal of Geophysical Research, 107, https://doi.org/10.1029/2001JD000821.
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Carl Fred Koch & Thor Arthur Hansen (2025), Cretaceous Period, Encyclopedia Britannica.
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A. G. Plint & D. Uličný & S. Čech & I. Walaszczyk & D. R. Gröcke & J. Laurin & J. A. Shank & I. Jarvis (2022), Trans‑Atlantic correlation of Late Cretaceous high‑frequency sea‑level cycles, Earth and Planetary Science Letters, 578, Article 117323, https://doi.org/10.1016/j.epsl.2021.117323.
Die weiteren Kapitel aus der Serie Meine Welt:
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Die Geographie am Ende der Kreidezeit |
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