Wie vertraut, aber gleichermaßen auch wie fremdartig uns die Wert vor 66 Millionen Jahren vorgekommen wäre, wird auch am topographischen Profil der späten Kreidezeit deutlich. Von den Flüssen und Bergen aus der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, handelt nun das nächste Kapitel dieser Serie. Es gab damals nämlich mancherorts Gebirge, wo heute keine mehr sind, während anderswo heutige Bergketten noch völlig fehlten. Genauso verhielt es sich mit den Flüssen. Viele von ihnen existierten damals noch gar nicht, oder sie flossen noch in einem ganz anderen Bett als sie es heute tun.
Die Flüsse
Die meisten Flussbette aus der Kreidezeit liegen heutzutage bereits seit vielen Jahrmillionen trocken. Viele von ihnen sind sogar zu ergiebigen Fossillagerstätten geworden, denn in Flussablagerungen sind die Fossilisationsbedingungen besonders gut. Ein Großteil der Hell Creek Formation war früher zum Beispiel ein weitverzweigtes Flusssystem, in dessen längst versteinerten Betten wir häufig Fossilien von Tyrannosaurus, Triceratops und anderen Dinosauriern finden können.
Auf den Landkarten der Kreidezeit hätten wir aber trotzdem schon einige Flüsse in ganz ähnlicher Form finden können, die es noch heute gibt, wie zum Beispiel die Vorläufer des Nils, der Maas, des Jangtsekiang und des Colorado River. Überraschenderweise verliefen manche Flüsse aber noch in die umgekehrte Richtung! Der Ur-Rhein lag zum Beispiel nicht nur in seinem heutigen Bett, dass in die Nordsee mündet. Ein Arm des Oberrheins verband sich südwärts noch mit der Rhône, die ins Thetysmeer mündete, also ins heutige Mittelmeer. Auch der Paläo-Amazonas fand seinen Abfluss nicht im heutigen Brasilien und in den Atlantik, sondern floss in Peru in den Pazifik, da es das Hochgebirge der Anden noch nicht gab. Dies erklärt, warum wir auch heute noch im Oberlauf des Amazonas „Meerestiere“ wie Rochen, Garnelen, Delfine und sogar Haie antreffen. Sie mussten sich ans Süßwasser anpassen, als sie vom Meer, das nun mehr als 6.000 Kilometer entfernt lag, abgeschnitten wurden. Trotzdem ist von vielen Flüssen aus der Zeit der Dinosaurier mehr übrig, als man vielleicht denkt!
Die Seen
Alle heutigen Binnengewässer wie Seen würden wir in der Kreidezeit jedoch vergeblich suchen. Seen haben eine recht kurze geologische „Lebenserwartung“, da sie irgendwann von den Flüssen, die sie durchfließen, mit mitgeschwemmten Sedimenten aufgefüllt werden, sie durch abgelagertes organisches Material erst versumpfen und dann verlanden oder durch geologische Prozesse oder klimatische Veränderungen austrocknen. Der älteste See der Erde, der russische Baikalsee, ist „nur“ rund 25 Millionen Jahre alt und damit deutlich jünger als die letzten Dinosaurier aus Hell Creek.
Alle anderen Seen auf der Erde stammen aus späteren Zeiten. Viele natürliche Seen sind auch erst während der Gletscherschmelze nach der letzten Eiszeit entstanden. Das Mesozoikum war durchgängig warm bis gemäßigt und sah überhaupt keine großen Glazialphasen. Süßwasserseen gab es in der Kreidezeit wahrscheinlich nur in den Kraterbetten von Vulkancalderen und Impaktkratern von Meteoriteneinschlägen, oder wenn im Frühjahr das Schmelzwasser mit den Flüssen aus den Bergen kam.
Die Berge
Anders verhält es sich mit Gebirgen, von denen einige wahre geologische Methusalems sind. Gebirge entstehen vor allem dort, wo sich eine Kontinentalplatte unter eine andere schiebt. Das Gelände wird an dieser Stelle aufgefaltet und bildet Bergrücken. Auch vulkanische Hotspots können Gebirgslandschaften aufhalten, beides geschah natürlich auch schon in der Kreidezeit. Da die Kontinente damals aber noch viel weiter voneinander entfernt waren, gab es viele heutige Höhenzüge aber noch gar nicht.
Wind und Wetter tragen als natürliche Erosion die Gebirge mit der Zeit wieder ab. Deshalb sind die höchsten Gebirge der Welt auch gleichzeitig die jüngsten. Der Himalaya und die Anden sind heute die höchsten Gebirgszüge. Auf der Karte der Kreidezeit sucht man sie aber vergeblich, sie gab es damals noch nicht; genauso wenig wie z.B. die Pyrenäen, den Kaukasus, die Aleuten und das Balkangebirge.
Die Höhenzüge zur Zeit der Dinosaurier
Doch manche Höhenzüge von heute hätten wir auch zur Zeit der Dinosaurier schon besteigen können. Die europäischen Alpen begannen sich zum Beispiel in der Kreidezeit gerade herauszuheben, waren aber noch längst nicht so hoch wie heute, ebenso wie das Atlasgebirge in Nordafrika. Auch die Rocky Mountains in Nordamerika erlebten ihre Geburtsstunde während der Kreidezeit. Im späten Maastrichtium, wo wir sie noch als Laramidische Gebirgskette bezeichnen, waren sie sogar schon zu einem gewaltigen vulkanischen Gebirgsmassiv herangewachsen. Ihre höchsten Gipfel reichten damals mit ca. 5.000m Höhe beinahe so hoch wie die heutigen Anden. Diese Berge ganz im Westen der Hell Creek Formation waren also die höchsten ihrer Zeit.
Es gibt jedoch auch Gebirgszüge, die weitaus älter sind als die Ära der Dinosaurier. Ein im wahrsten Sinne des Wortes herausragendes Beispiel aus unserer eigenen Region ist das Rheinische Schiefergebirge. Ebenso waren der Taunus, der Hunsrück, die Eifel, der Westerwald, das Erzgebirge und unsere heutigen deutschen Mittelgebirge wie der Harz schon in der Kreidezeit präsent. Diese Gebirge entstanden jedoch bereits im Paläozoikum, einer geologischen Ära lange vor den Dinosauriern. Sie bildeten einst noch den Meeresboden und wurden im Laufe der Zeit durch tektonische Kräfte angehoben und durch Erosion geformt.
Ebenfalls zu den geologisch alten Gebirgsformationen gehören der Ural in Asien, die Appalachen entlang der Ostküste Nordamerikas, sowie der Kanadische Schild, die Saint Francois Mountains und die Black Hills. Diese Gebirge sind Relikte einer weit zurückliegenden geologischen Zeit, in der Dinosaurier noch nicht existierten. Weitere Gebirge wie der Kaapvaal-Kraton in Südafrika, sowie das Bergland von Guayana in Südamerika und die Hamersley Range in Australien gehören ebenfalls zu den alten Gebirgszügen. Diese eindrucksvollen Landschaftsmerkmale haben über mehr als eine Milliarde Jahre hinweg ihre Höhe behalten und existieren damit länger als das höhere Leben auf unserem Planeten. Diese stummen Giganten sind Zeugnisse der dynamischen Geschichte unseres Planeten.
Die See
Im Maastrichtium drifteten die Kontinente eher auseinander, anstatt miteinander zusammenzustoßen. Deshalb befanden sich die höheren Gebirgszüge vor allem an den tektonischen Subduktionszonen, die dem Pazifik zugewandt waren. In allen übrigen Gegenden war das Gelände des Meeresbodens meist relativ flach. Verlassen wir aber nun die luftigen Höhen der Gebirge und werfen stattdessen zum Abschluss noch einen Blick ganz tief hinab, zu den dunkelsten Abgründen unserer Erde.
Binnenmeere
Auch unter der Meeresoberfläche sah es nämlich noch vielerorts ganz anders aus als heute! Während der Kreidezeit war der Meeresboden vulkanisch viel aktiver als heute, zudem stark aufgefaltet und bildete mächtige unterseeische Gebirge. Das war auch der Grund für den hohen Meeresspiegel zu dieser Zeit. Im Maastrichtium lag dieser noch 90m höher als heute! Viele Meere dieser Zeit waren also Binnenmeere, wie der Western Interior Seaway, der damals Nordamerika in einen Ost-Teil (Appalachia) und einen West-Teil (Laramidia) durchteilte. Auch die Turgai-Straße, die damals Europa vom Festland Asiens trennte, war ein mit Korallenriffen durchzogenes Flachmeeer. Solche Binnenmeere waren selten tiefer als 900 Meter. Viele von ihnen sind heute teilweise oder auch komplett verlandet, sodass wir dort zahlreiche Meeresfossilien finden können – viele hunderte Kilometer von heutigen Küstenverläufen entfernt!
Tiefsee
Doch selbstverständlich hat es in der Kreidezeit auch zahlreiche Tiefsee-Rinnen gegeben. Überall dort, wo sich sogenannte Subduktionszonen befanden, also wo sich eine Kontinentalplatte unter eine andere schob, taten sich gewaltige Tiefsee-Canyons auf. Viele der Tiefsee-Rinnen aus der späten Kreidezeit bestehen noch heute, andere haben sich inzwischen wieder aufgefüllt. Der heutige Marianengraben im westlichen Pazifik ist heute eine der tiefsten Stellen im Meer und reicht bis in mehr als 11.000 Meter in die Tiefe.
In der Kreidezeit war er zwar noch nicht ganz so tief, doch besaßen einige Subduktionszonen im westlichen Pazifik zumindest Gräben mit 8.000 Metern Tiefe. Subduktionszonen im Bereich des heutigen indischen Ozeans könnten ebenfalls relativ tiefe Stellen gehabt haben. Schätzungsweise könnten dort Gräben oder Senkungsgebiete in Tiefen von 6.000 bis 7.000 Metern existiert haben. Auch der mittelatlantische Rücken, eine geologische Formation, an der neue ozeanische Kruste entsteht, könnte in einigen Bereichen tiefe Schluchten aufgewiesen haben, die aufgrund von tektonischen Bewegungen und Plattenverschiebungen entstanden sind. Hier könnten Tiefen von 5.000 bis 6.000 Metern erreicht worden sein. In den Subduktionszonen vor den beiden Amerikas ging es ebenfalls tief hinab, bis in Tiefen von etwa 4.000 bis 5.000 Metern.
Die weiteren Kapitel aus der Serie Meine Welt:
Die Geographie am Ende der Kreidezeit
Dinge zwischen Himmel und Erde Von Flüssen und Bergen |
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